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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

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für eine Nervenfabrikantin aus: um für sie die Auf¬
hebung der Hof-Leibeigenschaft, wenigstens die Exi¬
mirung vom genauen Hofdamen-Amt zu erlangen,
weil in seinem Herzen immer der hineingestochene
Splitter des Vorwurfs eiterte, "du bist schuld, daß
"sie hier seyn muß" -- ferner um ihr die Konzes¬
sion der Land- und Frühlingsluft, falls sie einmal
darum supplizirte, im Voraus auszuwirken -- end¬
lich um sie von der befohlnen Aehnlichkeit mit denen
Damen zu erlösen, an deren bleifärbigen Gesichtern
wie an der Blei-Miliz der Kinder sich das Rothe
täglich abfärbt und täglich ansetzt. Da sich aber
Agnola selber schminkte: so mußt' er aus Höflichkeit
es beiden auf einmal verbieten als Arzt. Die Für¬
stin untersiegelte alle seine Suppliken recht gütig:
nur über den Schmink-Artikel gab sie in Rücksicht
ihrer selber gar keine Resolution, und in Rücksicht
Klotildens diese: sie habe nichts dagegen, wenn sie
bei ihr, ausgenommen an Kourtagen und im Schau¬
spiel, ohne Roth erscheine; und von der Anwesenheit
bei beiden sey sie gerne dispensirt, bis sie wieder ge¬
nesen sey. --

Mein Held konnte kaum den Abschied erwarten,
um diesen Reichsabschied oder Schluß der geliebten
Kranken zu bringen: ihn selber nahm diese Willfäh¬
rigkeit der Fürstin Wunder, bei der sonst Bitten
Sünden waren und die nichts versagte als das was

fuͤr eine Nervenfabrikantin aus: um fuͤr ſie die Auf¬
hebung der Hof-Leibeigenſchaft, wenigſtens die Exi¬
mirung vom genauen Hofdamen-Amt zu erlangen,
weil in ſeinem Herzen immer der hineingeſtochene
Splitter des Vorwurfs eiterte, »du biſt ſchuld, daß
»ſie hier ſeyn muß« — ferner um ihr die Konzeſ¬
ſion der Land- und Fruͤhlingsluft, falls ſie einmal
darum ſupplizirte, im Voraus auszuwirken — end¬
lich um ſie von der befohlnen Aehnlichkeit mit denen
Damen zu erloͤſen, an deren bleifaͤrbigen Geſichtern
wie an der Blei-Miliz der Kinder ſich das Rothe
taͤglich abfaͤrbt und taͤglich anſetzt. Da ſich aber
Agnola ſelber ſchminkte: ſo mußt' er aus Hoͤflichkeit
es beiden auf einmal verbieten als Arzt. Die Fuͤr¬
ſtin unterſiegelte alle ſeine Suppliken recht guͤtig:
nur uͤber den Schmink-Artikel gab ſie in Ruͤckſicht
ihrer ſelber gar keine Reſolution, und in Ruͤckſicht
Klotildens dieſe: ſie habe nichts dagegen, wenn ſie
bei ihr, ausgenommen an Kourtagen und im Schau¬
ſpiel, ohne Roth erſcheine; und von der Anweſenheit
bei beiden ſey ſie gerne diſpenſirt, bis ſie wieder ge¬
neſen ſey. —

Mein Held konnte kaum den Abſchied erwarten,
um dieſen Reichsabſchied oder Schluß der geliebten
Kranken zu bringen: ihn ſelber nahm dieſe Willfaͤh¬
rigkeit der Fuͤrſtin Wunder, bei der ſonſt Bitten
Suͤnden waren und die nichts verſagte als das was

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[221/0231] fuͤr eine Nervenfabrikantin aus: um fuͤr ſie die Auf¬ hebung der Hof-Leibeigenſchaft, wenigſtens die Exi¬ mirung vom genauen Hofdamen-Amt zu erlangen, weil in ſeinem Herzen immer der hineingeſtochene Splitter des Vorwurfs eiterte, »du biſt ſchuld, daß »ſie hier ſeyn muß« — ferner um ihr die Konzeſ¬ ſion der Land- und Fruͤhlingsluft, falls ſie einmal darum ſupplizirte, im Voraus auszuwirken — end¬ lich um ſie von der befohlnen Aehnlichkeit mit denen Damen zu erloͤſen, an deren bleifaͤrbigen Geſichtern wie an der Blei-Miliz der Kinder ſich das Rothe taͤglich abfaͤrbt und taͤglich anſetzt. Da ſich aber Agnola ſelber ſchminkte: ſo mußt' er aus Hoͤflichkeit es beiden auf einmal verbieten als Arzt. Die Fuͤr¬ ſtin unterſiegelte alle ſeine Suppliken recht guͤtig: nur uͤber den Schmink-Artikel gab ſie in Ruͤckſicht ihrer ſelber gar keine Reſolution, und in Ruͤckſicht Klotildens dieſe: ſie habe nichts dagegen, wenn ſie bei ihr, ausgenommen an Kourtagen und im Schau¬ ſpiel, ohne Roth erſcheine; und von der Anweſenheit bei beiden ſey ſie gerne diſpenſirt, bis ſie wieder ge¬ neſen ſey. — Mein Held konnte kaum den Abſchied erwarten, um dieſen Reichsabſchied oder Schluß der geliebten Kranken zu bringen: ihn ſelber nahm dieſe Willfaͤh¬ rigkeit der Fuͤrſtin Wunder, bei der ſonſt Bitten Suͤnden waren und die nichts verſagte als das was

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/231>, abgerufen am 07.05.2024.