Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

der die Hosentasche in die Region der Hosenschnalle
hatte verstecken lassen. Er hatte als Kammermohren
seinen hagern langen Provisor mit; der im Neben-
Trinkzimmer auf den sehr kurzen Provisor der zwei¬
ten oder Canaillen-Apotheke stieß. Der kurze Pro¬
visor folgte aus Haß dem langen überall, blos um
ihn zu ärgern; aber diesesmal war er blos vom Lande
zurück mit einigen von Rekonvoleszenten einkassirten
Hünereyern.

Matthieu nahm sich -- nach einem exegetischen
Wink an Zeusel -- die Freiheit, über das fürstliche
Podagra Kuhlpeppers Meinung zu seyn. Kuhlpep¬
per, der ein alter Deutscher seyn wollte -- solche
alte Deutsche können sich nie im Zorn, und recht
gut aus Eigennutz verstellen -- feuerte ab und sagte,
der englische Doktor sey ein ganzer Ignorant. Zeu¬
sel faßte mit einem weiten Lächeln wie mit einem
Buchdruckerstock seine höfische Verachtung gegen den
groben Mann ein. Der Medikus sah wie der Ae¬
quator, der Apotheker wie Spizbergen aus. Jetzt
wurde blos über das Podagra turnirt. Der Kampf¬
wärtel und Turnirvogt Maz gab zu verstehen, "Zeu¬
"sel liebe zwar seinen Fürsten und Herrn, aber er
"wünsche doch, daß diese Liebe die besten Mittel
"und die heilsamsten Einflüsse gehabt." -- "In den
"H -- (sagte Kuhlpepper) kann der Einfluß haben."
-- Als sich der Apotheker deswegen stolz und ver¬

der die Hoſentaſche in die Region der Hoſenſchnalle
hatte verſtecken laſſen. Er hatte als Kammermohren
ſeinen hagern langen Proviſor mit; der im Neben-
Trinkzimmer auf den ſehr kurzen Proviſor der zwei¬
ten oder Canaillen-Apotheke ſtieß. Der kurze Pro¬
viſor folgte aus Haß dem langen uͤberall, blos um
ihn zu aͤrgern; aber dieſesmal war er blos vom Lande
zuruͤck mit einigen von Rekonvoleszenten einkaſſirten
Huͤnereyern.

Matthieu nahm ſich — nach einem exegetiſchen
Wink an Zeuſel — die Freiheit, uͤber das fuͤrſtliche
Podagra Kuhlpeppers Meinung zu ſeyn. Kuhlpep¬
per, der ein alter Deutſcher ſeyn wollte — ſolche
alte Deutſche koͤnnen ſich nie im Zorn, und recht
gut aus Eigennutz verſtellen — feuerte ab und ſagte,
der engliſche Doktor ſey ein ganzer Ignorant. Zeu¬
ſel faßte mit einem weiten Laͤcheln wie mit einem
Buchdruckerſtock ſeine hoͤfiſche Verachtung gegen den
groben Mann ein. Der Medikus ſah wie der Ae¬
quator, der Apotheker wie Spizbergen aus. Jetzt
wurde blos uͤber das Podagra turnirt. Der Kampf¬
waͤrtel und Turnirvogt Maz gab zu verſtehen, »Zeu¬
»ſel liebe zwar ſeinen Fuͤrſten und Herrn, aber er
»wuͤnſche doch, daß dieſe Liebe die beſten Mittel
»und die heilſamſten Einfluͤſſe gehabt.» — »In den
»H — (ſagte Kuhlpepper) kann der Einfluß haben.»
— Als ſich der Apotheker deswegen ſtolz und ver¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0044" n="34"/>
der die Ho&#x017F;enta&#x017F;che in die Region der Ho&#x017F;en&#x017F;chnalle<lb/>
hatte ver&#x017F;tecken la&#x017F;&#x017F;en. Er hatte als Kammermohren<lb/>
&#x017F;einen hagern langen Provi&#x017F;or mit; der im Neben-<lb/>
Trinkzimmer auf den &#x017F;ehr kurzen Provi&#x017F;or der zwei¬<lb/>
ten oder Canaillen-Apotheke &#x017F;tieß. Der kurze Pro¬<lb/>
vi&#x017F;or folgte aus Haß dem langen u&#x0364;berall, blos um<lb/>
ihn zu a&#x0364;rgern; aber die&#x017F;esmal war er blos vom Lande<lb/>
zuru&#x0364;ck mit einigen von Rekonvoleszenten einka&#x017F;&#x017F;irten<lb/>
Hu&#x0364;nereyern.</p><lb/>
          <p>Matthieu nahm &#x017F;ich &#x2014; nach einem exegeti&#x017F;chen<lb/>
Wink an Zeu&#x017F;el &#x2014; die Freiheit, u&#x0364;ber das fu&#x0364;r&#x017F;tliche<lb/>
Podagra Kuhlpeppers Meinung zu &#x017F;eyn. Kuhlpep¬<lb/>
per, der ein alter Deut&#x017F;cher &#x017F;eyn wollte &#x2014; &#x017F;olche<lb/>
alte Deut&#x017F;che ko&#x0364;nnen &#x017F;ich nie im Zorn, und recht<lb/>
gut aus Eigennutz ver&#x017F;tellen &#x2014; feuerte ab und &#x017F;agte,<lb/>
der engli&#x017F;che Doktor &#x017F;ey ein ganzer Ignorant. Zeu¬<lb/>
&#x017F;el faßte mit einem weiten La&#x0364;cheln wie mit einem<lb/>
Buchdrucker&#x017F;tock &#x017F;eine ho&#x0364;fi&#x017F;che Verachtung gegen den<lb/>
groben Mann ein. Der Medikus &#x017F;ah wie der Ae¬<lb/>
quator, der Apotheker wie Spizbergen aus. Jetzt<lb/>
wurde blos u&#x0364;ber das Podagra turnirt. Der Kampf¬<lb/>
wa&#x0364;rtel und Turnirvogt Maz gab zu ver&#x017F;tehen, »Zeu¬<lb/>
»&#x017F;el liebe zwar &#x017F;einen Fu&#x0364;r&#x017F;ten und Herrn, aber er<lb/>
»wu&#x0364;n&#x017F;che doch, daß die&#x017F;e Liebe die be&#x017F;ten Mittel<lb/>
»und die heil&#x017F;am&#x017F;ten Einflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e gehabt.» &#x2014; »In den<lb/>
»H &#x2014; (&#x017F;agte Kuhlpepper) kann <hi rendition="#g">der</hi> Einfluß haben.»<lb/>
&#x2014; Als &#x017F;ich der Apotheker deswegen &#x017F;tolz und ver¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[34/0044] der die Hoſentaſche in die Region der Hoſenſchnalle hatte verſtecken laſſen. Er hatte als Kammermohren ſeinen hagern langen Proviſor mit; der im Neben- Trinkzimmer auf den ſehr kurzen Proviſor der zwei¬ ten oder Canaillen-Apotheke ſtieß. Der kurze Pro¬ viſor folgte aus Haß dem langen uͤberall, blos um ihn zu aͤrgern; aber dieſesmal war er blos vom Lande zuruͤck mit einigen von Rekonvoleszenten einkaſſirten Huͤnereyern. Matthieu nahm ſich — nach einem exegetiſchen Wink an Zeuſel — die Freiheit, uͤber das fuͤrſtliche Podagra Kuhlpeppers Meinung zu ſeyn. Kuhlpep¬ per, der ein alter Deutſcher ſeyn wollte — ſolche alte Deutſche koͤnnen ſich nie im Zorn, und recht gut aus Eigennutz verſtellen — feuerte ab und ſagte, der engliſche Doktor ſey ein ganzer Ignorant. Zeu¬ ſel faßte mit einem weiten Laͤcheln wie mit einem Buchdruckerſtock ſeine hoͤfiſche Verachtung gegen den groben Mann ein. Der Medikus ſah wie der Ae¬ quator, der Apotheker wie Spizbergen aus. Jetzt wurde blos uͤber das Podagra turnirt. Der Kampf¬ waͤrtel und Turnirvogt Maz gab zu verſtehen, »Zeu¬ »ſel liebe zwar ſeinen Fuͤrſten und Herrn, aber er »wuͤnſche doch, daß dieſe Liebe die beſten Mittel »und die heilſamſten Einfluͤſſe gehabt.» — »In den »H — (ſagte Kuhlpepper) kann der Einfluß haben.» — Als ſich der Apotheker deswegen ſtolz und ver¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/44
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/44>, abgerufen am 26.04.2024.