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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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sind, sie noch lange aus den Handlungen fortzuwei¬
sen, um lieber in eine kameralistische Unvorsichtigkeit
zu fallen als in die schwere Sünde gegen den heili¬
gen Geist im Menschen. Dieses feste Vertrauen ist
leichter zu verdienen als zu haben.

Im lärmenden Hammer- und Mühlenwerk der
Stadt war ihm wie in einer öden Waldung. An
zarte Seelen verwöhnt kamen ihm die städtischen alle
so stachlicht und ungeschliffen vor: denn die Liebe
hatte wie die Tragödie seine Leidenschaften gereinigt,
indem sie solche erregte. -- Alles hing so verfallen,
so verraset zum Einbrechen herüber, indeß die glat¬
ten Spiegelwände in Maienthal massiv und leuchtend
aufstiegen! denn die Liebe ist das einzige, was das
Herz des Menschen bis an den Rand vollgießet wie¬
wohl mit einem bald einsinkenden Nektar Schaume;
sie allein fasset ein Gedicht von etlichen tausend Mi¬
nuten ab ohne den klirrenden R-Buchstaben, wie der
Dominikaner Carbone über sie ein eben so großes
Gedicht unter dem Namen L' R-sbandita ohne ein
einziges R verfertigte -- Daher ist sie wie die Krebse
in den Monaten ohne R am schönsten.

Das erste, was er in Flachsenfingen zu machen
hatte, war ein Brief an Klotilde- Denn da der
Evangelist Maz um aller Wahrscheinlichkeit nach in
alle Welt ausgehen und das Evangelium vom Schuß-
Duel zwischen den zwei Freunden allen Völkern pre¬

ſind, ſie noch lange aus den Handlungen fortzuwei¬
ſen‚ um lieber in eine kameraliſtiſche Unvorſichtigkeit
zu fallen als in die ſchwere Suͤnde gegen den heili¬
gen Geiſt im Menſchen. Dieſes feſte Vertrauen iſt
leichter zu verdienen als zu haben.

Im laͤrmenden Hammer- und Muͤhlenwerk der
Stadt war ihm wie in einer oͤden Waldung. An
zarte Seelen verwoͤhnt kamen ihm die ſtaͤdtiſchen alle
ſo ſtachlicht und ungeſchliffen vor: denn die Liebe
hatte wie die Tragoͤdie ſeine Leidenſchaften gereinigt‚
indem ſie ſolche erregte. — Alles hing ſo verfallen‚
ſo verraſet zum Einbrechen heruͤber‚ indeß die glat¬
ten Spiegelwaͤnde in Maienthal maſſiv und leuchtend
aufſtiegen! denn die Liebe iſt das einzige‚ was das
Herz des Menſchen bis an den Rand vollgießet wie¬
wohl mit einem bald einſinkenden Nektar Schaume;
ſie allein faſſet ein Gedicht von etlichen tauſend Mi¬
nuten ab ohne den klirrenden R-Buchſtaben, wie der
Dominikaner Carbone uͤber ſie ein eben ſo großes
Gedicht unter dem Namen L' R-sbandita ohne ein
einziges R verfertigte — Daher iſt ſie wie die Krebſe
in den Monaten ohne R am ſchoͤnſten.

Das erſte‚ was er in Flachſenfingen zu machen
hatte‚ war ein Brief an Klotilde- Denn da der
Evangeliſt Maz um aller Wahrſcheinlichkeit nach in
alle Welt ausgehen und das Evangelium vom Schuß-
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[237/0247] ſind, ſie noch lange aus den Handlungen fortzuwei¬ ſen‚ um lieber in eine kameraliſtiſche Unvorſichtigkeit zu fallen als in die ſchwere Suͤnde gegen den heili¬ gen Geiſt im Menſchen. Dieſes feſte Vertrauen iſt leichter zu verdienen als zu haben. Im laͤrmenden Hammer- und Muͤhlenwerk der Stadt war ihm wie in einer oͤden Waldung. An zarte Seelen verwoͤhnt kamen ihm die ſtaͤdtiſchen alle ſo ſtachlicht und ungeſchliffen vor: denn die Liebe hatte wie die Tragoͤdie ſeine Leidenſchaften gereinigt‚ indem ſie ſolche erregte. — Alles hing ſo verfallen‚ ſo verraſet zum Einbrechen heruͤber‚ indeß die glat¬ ten Spiegelwaͤnde in Maienthal maſſiv und leuchtend aufſtiegen! denn die Liebe iſt das einzige‚ was das Herz des Menſchen bis an den Rand vollgießet wie¬ wohl mit einem bald einſinkenden Nektar Schaume; ſie allein faſſet ein Gedicht von etlichen tauſend Mi¬ nuten ab ohne den klirrenden R-Buchſtaben, wie der Dominikaner Carbone uͤber ſie ein eben ſo großes Gedicht unter dem Namen L' R-sbandita ohne ein einziges R verfertigte — Daher iſt ſie wie die Krebſe in den Monaten ohne R am ſchoͤnſten. Das erſte‚ was er in Flachſenfingen zu machen hatte‚ war ein Brief an Klotilde- Denn da der Evangeliſt Maz um aller Wahrſcheinlichkeit nach in alle Welt ausgehen und das Evangelium vom Schuß- Duel zwiſchen den zwei Freunden allen Voͤlkern pre¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/247>, abgerufen am 30.04.2024.