Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

mel den Kammerherrn daher. Stumm misset man
die Mord- und Schußweite und tauschet das Ge¬
schoß. Flamin als Beleidigter bricht zuerst wie ein
Sturm gegen den andern loß; und auf dem schnau¬
benden Pferde und im Zittern des Grim[m]s schießet
er seine Kugel über das fremde -- Leben hinaus.
Der Kammerherr feuerte absichtlich und offenbar
weit vor dem Gegner vorbei, weil die Niederlage
des (vermeintlichen) Matthieu sein ganzes Hofglück
mit niedergeschlagen hätte. Matthieu, schon unter
den Zurüstungen des Gefechtes schäumend, und noch
mehr ergrimmt über das Verfehlen seines Wechsel-
Ziels, und zu stolz, um sich vor den Engländern
mit dem Geschenk seines Lebens unter einem frem¬
den Namen und von einem so verächtlichen Wider¬
part beschämen zu lassen, sties seine eigene Maske
herab, und Flamins seine dazu und rit kalt auf
den Kammerherrn zu und sagte: um ihn durch die
Entdeckung seines ahnenlosen Gegners zu demüthi¬
gen: "Sie haben sich im Stande geirrt -- aber
"jetzt schießen wir uns" . . . Le Baut stotterte ver¬
wirrt und beleidigt -- aber Matthieu drängte sein
Pferd zurück -- stand -- schrie -- schoß mit verstei¬
nertem Arme und traf und zerstöhrte tödtlich das
kahle Leben des armen Le Baut. . . Blitzschnell sag¬
te er allen: "zum Grafen O!" und trabte -- mit
dem Bewußtseyn der frühen, leichten Vergebung von

mel den Kammerherrn daher. Stumm miſſet man
die Mord- und Schußweite und tauſchet das Ge¬
ſchoß. Flamin als Beleidigter bricht zuerſt wie ein
Sturm gegen den andern loß; und auf dem ſchnau¬
benden Pferde und im Zittern des Grim[m]s ſchießet
er ſeine Kugel uͤber das fremde — Leben hinaus.
Der Kammerherr feuerte abſichtlich und offenbar
weit vor dem Gegner vorbei, weil die Niederlage
des (vermeintlichen) Matthieu ſein ganzes Hofgluͤck
mit niedergeſchlagen haͤtte. Matthieu, ſchon unter
den Zuruͤſtungen des Gefechtes ſchaͤumend, und noch
mehr ergrimmt uͤber das Verfehlen ſeines Wechſel-
Ziels, und zu ſtolz, um ſich vor den Englaͤndern
mit dem Geſchenk ſeines Lebens unter einem frem¬
den Namen und von einem ſo veraͤchtlichen Wider¬
part beſchaͤmen zu laſſen, ſties ſeine eigene Maſke
herab, und Flamins ſeine dazu und rit kalt auf
den Kammerherrn zu und ſagte: um ihn durch die
Entdeckung ſeines ahnenloſen Gegners zu demuͤthi¬
gen: »Sie haben ſich im Stande geirrt — aber
»jetzt ſchießen wir uns« . . . Le Baut ſtotterte ver¬
wirrt und beleidigt — aber Matthieu draͤngte ſein
Pferd zuruͤck — ſtand — ſchrie — ſchoß mit verſtei¬
nertem Arme und traf und zerſtoͤhrte toͤdtlich das
kahle Leben des armen Le Baut. . . Blitzſchnell ſag¬
te er allen: »zum Grafen O!« und trabte — mit
dem Bewußtſeyn der fruͤhen, leichten Vergebung von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0336" n="326"/>
mel den Kammerherrn daher. Stumm mi&#x017F;&#x017F;et man<lb/>
die Mord- und Schußweite und tau&#x017F;chet das Ge¬<lb/>
&#x017F;choß. Flamin als Beleidigter bricht zuer&#x017F;t wie ein<lb/>
Sturm gegen den andern loß; und auf dem &#x017F;chnau¬<lb/>
benden Pferde und im Zittern des Grim<supplied>m</supplied>s &#x017F;chießet<lb/>
er &#x017F;eine Kugel u&#x0364;ber das fremde &#x2014; Leben hinaus.<lb/>
Der Kammerherr feuerte ab&#x017F;ichtlich und offenbar<lb/>
weit vor dem Gegner vorbei, weil die Niederlage<lb/>
des (vermeintlichen) Matthieu &#x017F;ein ganzes Hofglu&#x0364;ck<lb/>
mit niederge&#x017F;chlagen ha&#x0364;tte. Matthieu, &#x017F;chon unter<lb/>
den Zuru&#x0364;&#x017F;tungen des Gefechtes &#x017F;cha&#x0364;umend, und noch<lb/>
mehr ergrimmt u&#x0364;ber das Verfehlen &#x017F;eines Wech&#x017F;el-<lb/>
Ziels, und zu &#x017F;tolz, um &#x017F;ich vor den Engla&#x0364;ndern<lb/>
mit dem Ge&#x017F;chenk &#x017F;eines Lebens unter einem frem¬<lb/>
den Namen und von einem &#x017F;o vera&#x0364;chtlichen Wider¬<lb/>
part be&#x017F;cha&#x0364;men zu la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ties &#x017F;eine eigene Ma&#x017F;ke<lb/>
herab, und Flamins &#x017F;eine dazu und rit kalt auf<lb/>
den Kammerherrn zu und &#x017F;agte: um ihn durch die<lb/>
Entdeckung &#x017F;eines ahnenlo&#x017F;en Gegners zu demu&#x0364;thi¬<lb/>
gen: »Sie haben &#x017F;ich im Stande geirrt &#x2014; aber<lb/>
»jetzt &#x017F;chießen wir uns« . . . Le Baut &#x017F;totterte ver¬<lb/>
wirrt und beleidigt &#x2014; aber Matthieu dra&#x0364;ngte &#x017F;ein<lb/>
Pferd zuru&#x0364;ck &#x2014; &#x017F;tand &#x2014; &#x017F;chrie &#x2014; &#x017F;choß mit ver&#x017F;tei¬<lb/>
nertem Arme und traf und zer&#x017F;to&#x0364;hrte to&#x0364;dtlich das<lb/>
kahle Leben des armen Le Baut. . . Blitz&#x017F;chnell &#x017F;ag¬<lb/>
te er allen: »zum Grafen O!« und trabte &#x2014; mit<lb/>
dem Bewußt&#x017F;eyn der fru&#x0364;hen, leichten Vergebung von<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[326/0336] mel den Kammerherrn daher. Stumm miſſet man die Mord- und Schußweite und tauſchet das Ge¬ ſchoß. Flamin als Beleidigter bricht zuerſt wie ein Sturm gegen den andern loß; und auf dem ſchnau¬ benden Pferde und im Zittern des Grimms ſchießet er ſeine Kugel uͤber das fremde — Leben hinaus. Der Kammerherr feuerte abſichtlich und offenbar weit vor dem Gegner vorbei, weil die Niederlage des (vermeintlichen) Matthieu ſein ganzes Hofgluͤck mit niedergeſchlagen haͤtte. Matthieu, ſchon unter den Zuruͤſtungen des Gefechtes ſchaͤumend, und noch mehr ergrimmt uͤber das Verfehlen ſeines Wechſel- Ziels, und zu ſtolz, um ſich vor den Englaͤndern mit dem Geſchenk ſeines Lebens unter einem frem¬ den Namen und von einem ſo veraͤchtlichen Wider¬ part beſchaͤmen zu laſſen, ſties ſeine eigene Maſke herab, und Flamins ſeine dazu und rit kalt auf den Kammerherrn zu und ſagte: um ihn durch die Entdeckung ſeines ahnenloſen Gegners zu demuͤthi¬ gen: »Sie haben ſich im Stande geirrt — aber »jetzt ſchießen wir uns« . . . Le Baut ſtotterte ver¬ wirrt und beleidigt — aber Matthieu draͤngte ſein Pferd zuruͤck — ſtand — ſchrie — ſchoß mit verſtei¬ nertem Arme und traf und zerſtoͤhrte toͤdtlich das kahle Leben des armen Le Baut. . . Blitzſchnell ſag¬ te er allen: »zum Grafen O!« und trabte — mit dem Bewußtſeyn der fruͤhen, leichten Vergebung von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/336
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/336>, abgerufen am 14.05.2024.