Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

außer sich kommen vor Erstaunen über Horions Lü¬
gen und über Matthieu's Wahrheiten. -- Jetzt
hielt ers für Pflicht, zu lächeln zwar, aber nicht
mehr schadenfroh wie Maz, sondern ordentlich ver¬
achtend wie ein Hof-Lehnman soll: auch fühlte er,
wie sehr es unter seiner Würde sei, sich länger in
dieses bürgerliche Quodlibet, ohne es doch zum Nar¬
ren zu haben, mit einquirlen zu lassen. Er gieng
mithin -- um die Nouvelle aus seinem Säetuch in
gutes Land auszuwerfen -- nach einem kurzen aber
aufrichtigen Glückwunsche zur Vermählung noch die¬
selbe Nacht an den Hof zurück -- -- -- und der
Teufel folgte ihm als Kammermohr anständig hin¬
terdrein.

Ich wollte, der Spitzbube thäte keinen Tritt mehr
in meine biographische Schreibstube und casa santa:
er ist sich so vieler unmoralischer Hülfsquellen be¬
wust, daß er ordentlich im Kraftgefühl derselben
mit den Sünden spielt und immer einige mehr wagt
als er braucht; so wie er z. B. in der Maienthaler
Allee mit der Stimme der Nachtigall aus bloßem
Uebermuth Viktor und Klotilde in seine Nähe lockte,
obgleich Flamin beide ohne jene Philomelenmaschi¬
nerie hätte belauschen können. Von dieser Seite
wünsch' ich fast gar nicht mehr, daß der Posthund
weiter kömmt: ich muß zu sehr besorgen, daß Mat¬
thieu neuen Krötenlaich und eine neue Essigmutter

außer ſich kommen vor Erſtaunen uͤber Horions Luͤ¬
gen und uͤber Matthieu's Wahrheiten. — Jetzt
hielt ers fuͤr Pflicht, zu laͤcheln zwar, aber nicht
mehr ſchadenfroh wie Maz, ſondern ordentlich ver¬
achtend wie ein Hof-Lehnman ſoll: auch fuͤhlte er,
wie ſehr es unter ſeiner Wuͤrde ſei, ſich laͤnger in
dieſes buͤrgerliche Quodlibet, ohne es doch zum Nar¬
ren zu haben, mit einquirlen zu laſſen. Er gieng
mithin — um die Nouvelle aus ſeinem Saͤetuch in
gutes Land auszuwerfen — nach einem kurzen aber
aufrichtigen Gluͤckwunſche zur Vermaͤhlung noch die¬
ſelbe Nacht an den Hof zuruͤck — — — und der
Teufel folgte ihm als Kammermohr anſtaͤndig hin¬
terdrein.

Ich wollte, der Spitzbube thaͤte keinen Tritt mehr
in meine biographiſche Schreibſtube und casa santa:
er iſt ſich ſo vieler unmoraliſcher Huͤlfsquellen be¬
wuſt, daß er ordentlich im Kraftgefuͤhl derſelben
mit den Suͤnden ſpielt und immer einige mehr wagt
als er braucht; ſo wie er z. B. in der Maienthaler
Allee mit der Stimme der Nachtigall aus bloßem
Uebermuth Viktor und Klotilde in ſeine Naͤhe lockte,
obgleich Flamin beide ohne jene Philomelenmaſchi¬
nerie haͤtte belauſchen koͤnnen. Von dieſer Seite
wuͤnſch' ich faſt gar nicht mehr, daß der Poſthund
weiter koͤmmt: ich muß zu ſehr beſorgen, daß Mat¬
thieu neuen Kroͤtenlaich und eine neue Eſſigmutter

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0422" n="412"/>
außer &#x017F;ich kommen vor Er&#x017F;taunen u&#x0364;ber Horions Lu&#x0364;¬<lb/>
gen und u&#x0364;ber Matthieu's Wahrheiten. &#x2014; Jetzt<lb/>
hielt ers fu&#x0364;r Pflicht, zu la&#x0364;cheln zwar, aber nicht<lb/>
mehr &#x017F;chadenfroh wie Maz, &#x017F;ondern ordentlich ver¬<lb/>
achtend wie ein Hof-Lehnman &#x017F;oll: auch fu&#x0364;hlte er,<lb/>
wie &#x017F;ehr es unter &#x017F;einer Wu&#x0364;rde &#x017F;ei, &#x017F;ich la&#x0364;nger in<lb/>
die&#x017F;es bu&#x0364;rgerliche Quodlibet, ohne es doch zum Nar¬<lb/>
ren zu haben, mit einquirlen zu la&#x017F;&#x017F;en. Er gieng<lb/>
mithin &#x2014; um die Nouvelle aus &#x017F;einem Sa&#x0364;etuch in<lb/>
gutes Land auszuwerfen &#x2014; nach einem kurzen aber<lb/>
aufrichtigen Glu&#x0364;ckwun&#x017F;che zur Verma&#x0364;hlung noch die¬<lb/>
&#x017F;elbe Nacht an den Hof zuru&#x0364;ck &#x2014; &#x2014; &#x2014; und der<lb/>
Teufel folgte ihm als Kammermohr an&#x017F;ta&#x0364;ndig hin¬<lb/>
terdrein.</p><lb/>
          <p>Ich wollte, der Spitzbube tha&#x0364;te keinen Tritt mehr<lb/>
in meine biographi&#x017F;che Schreib&#x017F;tube und <hi rendition="#aq">casa santa</hi>:<lb/>
er i&#x017F;t &#x017F;ich &#x017F;o vieler unmorali&#x017F;cher Hu&#x0364;lfsquellen be¬<lb/>
wu&#x017F;t, daß er ordentlich im Kraftgefu&#x0364;hl der&#x017F;elben<lb/>
mit den Su&#x0364;nden &#x017F;pielt und immer einige mehr wagt<lb/>
als er braucht; &#x017F;o wie er z. B. in der Maienthaler<lb/>
Allee mit der Stimme der Nachtigall aus bloßem<lb/>
Uebermuth Viktor und Klotilde in &#x017F;eine Na&#x0364;he lockte,<lb/>
obgleich Flamin beide ohne jene Philomelenma&#x017F;chi¬<lb/>
nerie ha&#x0364;tte belau&#x017F;chen ko&#x0364;nnen. Von die&#x017F;er Seite<lb/>
wu&#x0364;n&#x017F;ch' ich fa&#x017F;t gar nicht mehr, daß der Po&#x017F;thund<lb/>
weiter ko&#x0364;mmt: ich muß zu &#x017F;ehr be&#x017F;orgen, daß Mat¬<lb/>
thieu neuen Kro&#x0364;tenlaich und eine neue E&#x017F;&#x017F;igmutter<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[412/0422] außer ſich kommen vor Erſtaunen uͤber Horions Luͤ¬ gen und uͤber Matthieu's Wahrheiten. — Jetzt hielt ers fuͤr Pflicht, zu laͤcheln zwar, aber nicht mehr ſchadenfroh wie Maz, ſondern ordentlich ver¬ achtend wie ein Hof-Lehnman ſoll: auch fuͤhlte er, wie ſehr es unter ſeiner Wuͤrde ſei, ſich laͤnger in dieſes buͤrgerliche Quodlibet, ohne es doch zum Nar¬ ren zu haben, mit einquirlen zu laſſen. Er gieng mithin — um die Nouvelle aus ſeinem Saͤetuch in gutes Land auszuwerfen — nach einem kurzen aber aufrichtigen Gluͤckwunſche zur Vermaͤhlung noch die¬ ſelbe Nacht an den Hof zuruͤck — — — und der Teufel folgte ihm als Kammermohr anſtaͤndig hin¬ terdrein. Ich wollte, der Spitzbube thaͤte keinen Tritt mehr in meine biographiſche Schreibſtube und casa santa: er iſt ſich ſo vieler unmoraliſcher Huͤlfsquellen be¬ wuſt, daß er ordentlich im Kraftgefuͤhl derſelben mit den Suͤnden ſpielt und immer einige mehr wagt als er braucht; ſo wie er z. B. in der Maienthaler Allee mit der Stimme der Nachtigall aus bloßem Uebermuth Viktor und Klotilde in ſeine Naͤhe lockte, obgleich Flamin beide ohne jene Philomelenmaſchi¬ nerie haͤtte belauſchen koͤnnen. Von dieſer Seite wuͤnſch' ich faſt gar nicht mehr, daß der Poſthund weiter koͤmmt: ich muß zu ſehr beſorgen, daß Mat¬ thieu neuen Kroͤtenlaich und eine neue Eſſigmutter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/422
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/422>, abgerufen am 26.04.2024.