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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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warfen, dieser trat heute fast wärmer zu uns, ob¬
wol mit lauter Zügen des Gefühls, daß das Leben
ein Schalttag sei und daß er nur die Menschenliebe,
nicht die Menschen liebe. Er sagte, wir sollten ihm
und dem Hofmedikus den Gefallen thun, letztern
noch heute in Maienthal zu besuchen und herzubrin¬
gen, weil er hier ohne Augenzeugen noch allerlei
Anordnungen für die Ankunft des Fürsten zu vollen¬
den habe; wir sollten aber zu Nachts mit Viktor
niederkommen, weil unser H. Vater morgen sehr
frühe einträfe. Der Blinde konnte als Blinder da
bleiben. Es fiel mir nicht auf, daß er dem guten
verhüllten Julius verbarg, daß er sein Vater war,
denn er sagte zwei- und dreideutig: "da der Gute
"schon einmal den Schmerz einen Vater zu verlieren
"überstanden hat, so muß man ihm diesem Schmer¬
"ze nicht zum zweitenmale aussetzen." Aber das fiel
mir auf, daß er uns bat, ihn für das, was er bis¬
her für Flachsenfingen thun wollen, dadurch zu be¬
lohnen, daß wir's thäten und ihm endlich zu ver¬
sichern, daß wir in den Staatsämtern die wir be¬
kommen würden, seine kosmopolitischen Wünsche,
die er uns schriftlich übergab, erfüllen würden, we¬
nigstens so lange bis er uns wiedersähe. Der
Fürst hatt' ihm dieselbe feierliche Versicherung geben
müssen. Wir sahen zu ihm hinauf wie zu ei¬

Hesperus. III. Th. Ee

warfen, dieſer trat heute faſt waͤrmer zu uns, ob¬
wol mit lauter Zuͤgen des Gefuͤhls, daß das Leben
ein Schalttag ſei und daß er nur die Menſchenliebe,
nicht die Menſchen liebe. Er ſagte, wir ſollten ihm
und dem Hofmedikus den Gefallen thun, letztern
noch heute in Maienthal zu beſuchen und herzubrin¬
gen, weil er hier ohne Augenzeugen noch allerlei
Anordnungen fuͤr die Ankunft des Fuͤrſten zu vollen¬
den habe; wir ſollten aber zu Nachts mit Viktor
niederkommen, weil unſer H. Vater morgen ſehr
fruͤhe eintraͤfe. Der Blinde konnte als Blinder da
bleiben. Es fiel mir nicht auf, daß er dem guten
verhuͤllten Julius verbarg, daß er ſein Vater war,
denn er ſagte zwei- und dreideutig: »da der Gute
»ſchon einmal den Schmerz einen Vater zu verlieren
»uͤberſtanden hat, ſo muß man ihm dieſem Schmer¬
»ze nicht zum zweitenmale ausſetzen.« Aber das fiel
mir auf, daß er uns bat, ihn fuͤr das, was er bis¬
her fuͤr Flachſenfingen thun wollen, dadurch zu be¬
lohnen, daß wir's thaͤten und ihm endlich zu ver¬
ſichern, daß wir in den Staatsaͤmtern die wir be¬
kommen wuͤrden, ſeine kosmopolitiſchen Wuͤnſche,
die er uns ſchriftlich uͤbergab, erfuͤllen wuͤrden, we¬
nigſtens ſo lange bis er uns wiederſaͤhe. Der
Fuͤrſt hatt' ihm dieſelbe feierliche Verſicherung geben
muͤſſen. Wir ſahen zu ihm hinauf wie zu ei¬

Heſperus. III. Th. Ee
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[433/0443] warfen, dieſer trat heute faſt waͤrmer zu uns, ob¬ wol mit lauter Zuͤgen des Gefuͤhls, daß das Leben ein Schalttag ſei und daß er nur die Menſchenliebe, nicht die Menſchen liebe. Er ſagte, wir ſollten ihm und dem Hofmedikus den Gefallen thun, letztern noch heute in Maienthal zu beſuchen und herzubrin¬ gen, weil er hier ohne Augenzeugen noch allerlei Anordnungen fuͤr die Ankunft des Fuͤrſten zu vollen¬ den habe; wir ſollten aber zu Nachts mit Viktor niederkommen, weil unſer H. Vater morgen ſehr fruͤhe eintraͤfe. Der Blinde konnte als Blinder da bleiben. Es fiel mir nicht auf, daß er dem guten verhuͤllten Julius verbarg, daß er ſein Vater war, denn er ſagte zwei- und dreideutig: »da der Gute »ſchon einmal den Schmerz einen Vater zu verlieren »uͤberſtanden hat, ſo muß man ihm dieſem Schmer¬ »ze nicht zum zweitenmale ausſetzen.« Aber das fiel mir auf, daß er uns bat, ihn fuͤr das, was er bis¬ her fuͤr Flachſenfingen thun wollen, dadurch zu be¬ lohnen, daß wir's thaͤten und ihm endlich zu ver¬ ſichern, daß wir in den Staatsaͤmtern die wir be¬ kommen wuͤrden, ſeine kosmopolitiſchen Wuͤnſche, die er uns ſchriftlich uͤbergab, erfuͤllen wuͤrden, we¬ nigſtens ſo lange bis er uns wiederſaͤhe. Der Fuͤrſt hatt' ihm dieſelbe feierliche Verſicherung geben muͤſſen. Wir ſahen zu ihm hinauf wie zu ei¬ Heſperus. III. Th. Ee

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/443>, abgerufen am 14.05.2024.