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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

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deßhalb keinen Wein vor ihnen libirten oder
weggossen.

Jetzt berührt' er wieder von weitem den
Rezensenten und sagte, er sey im Badort blos
nach Maulbronn wie die Juden zum Oster-
monat nach Jerusalem gegangen, um das
kritische Passahlamm oder den Passahsündenbock
zu schlachten und zu genießen; noch aber fehle
der Bock, und käm' er an, so sey doch man-
ches anders als ers haben möchte. Strykius
konnte nicht anders als er mußte stutzen. Jetzt
bey der dritten Flasche oder Stazion hielt es
der Doktor für seinen Schein zuträglich, ein
wenig mit seinem Verständigseyn nachzulassen,
und mehr ins Auffallende zu fallen; überhaupt
mehr den Mann zeigen, der nicht weiß, was
er will. "Noch gehts gut, Herr Kollege,
sagt' er, doch sieht man, was der Mensch
verträgt. Ich wäre jetzt im Stande, jedem,
der wollte, unangenehme Dinge mit einer
solchen juristischen Kautelarjurisprudenz zu
sagen, daß der Mann an keine Injurienklage
denken dürfte. -- Es böte mir z. B. eine

deßhalb keinen Wein vor ihnen libirten oder
weggoſſen.

Jetzt beruͤhrt’ er wieder von weitem den
Rezenſenten und ſagte, er ſey im Badort blos
nach Maulbronn wie die Juden zum Oſter-
monat nach Jeruſalem gegangen, um das
kritiſche Paſſahlamm oder den Paſſahſuͤndenbock
zu ſchlachten und zu genießen; noch aber fehle
der Bock, und kaͤm’ er an, ſo ſey doch man-
ches anders als ers haben möchte. Strykius
konnte nicht anders als er mußte ſtutzen. Jetzt
bey der dritten Flaſche oder Stazion hielt es
der Doktor fuͤr ſeinen Schein zutraͤglich, ein
wenig mit ſeinem Verſtaͤndigſeyn nachzulaſſen,
und mehr ins Auffallende zu fallen; uͤberhaupt
mehr den Mann zeigen, der nicht weiß, was
er will. „Noch gehts gut, Herr Kollege,
ſagt’ er, doch ſieht man, was der Menſch
vertraͤgt. Ich waͤre jetzt im Stande, jedem,
der wollte, unangenehme Dinge mit einer
ſolchen juriſtiſchen Kautelarjurisprudenz zu
ſagen, daß der Mann an keine Injurienklage
denken duͤrfte. — Es boͤte mir z. B. eine

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[106/0112] deßhalb keinen Wein vor ihnen libirten oder weggoſſen. Jetzt beruͤhrt’ er wieder von weitem den Rezenſenten und ſagte, er ſey im Badort blos nach Maulbronn wie die Juden zum Oſter- monat nach Jeruſalem gegangen, um das kritiſche Paſſahlamm oder den Paſſahſuͤndenbock zu ſchlachten und zu genießen; noch aber fehle der Bock, und kaͤm’ er an, ſo ſey doch man- ches anders als ers haben möchte. Strykius konnte nicht anders als er mußte ſtutzen. Jetzt bey der dritten Flaſche oder Stazion hielt es der Doktor fuͤr ſeinen Schein zutraͤglich, ein wenig mit ſeinem Verſtaͤndigſeyn nachzulaſſen, und mehr ins Auffallende zu fallen; uͤberhaupt mehr den Mann zeigen, der nicht weiß, was er will. „Noch gehts gut, Herr Kollege, ſagt’ er, doch ſieht man, was der Menſch vertraͤgt. Ich waͤre jetzt im Stande, jedem, der wollte, unangenehme Dinge mit einer ſolchen juriſtiſchen Kautelarjurisprudenz zu ſagen, daß der Mann an keine Injurienklage denken duͤrfte. — Es boͤte mir z. B. eine

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/112>, abgerufen am 29.04.2024.