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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

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Dieser stand eben unter der pharmazeutischen
Glasthüre, und unter der Wappen-Schlange
seiner Offizin neben dem Orts-Physikus und
zeigte diesem ohne Hutabziehen, und sonstige
Gruß-Schüsse mit ausgestrecktem Arme den
Giftmischer und Hasendieb.

Erst spät bey Licht-Anzünden, kam er
zu Hause an. Er hörte, Theoda, die schon
Vormittags angelangt, sey bey ihrer Freundin.
Halb verdrüßlich machte er sich nach Mehlhorns
Wohnung im Erdgeschosse auf, welches für
ihn den Vortheil hatte, daß es Abends durch
Fensterladen gut genug verschlossen war, um
ungesehen durch sie hinein zu sehen.

Katzenberger war ein Mann von vielen
Grundsätzen, worunter er einen hatte, den zarte
Seelen, welche die menschliche von keiner sicht-
baren Gegenwart gemilderte Schärfe der Ur-
theile über daube Abwesende schwer ertragen,
ihm nicht so leicht nachbefolgen konnten, näm-
lich den zu -- horchen und zu luken. Darum
erklärte er besonders Fenster-Läden der Erd-
geschosse für die besten Operngucker und Hör-

Dieſer ſtand eben unter der pharmazeutiſchen
Glasthuͤre, und unter der Wappen-Schlange
ſeiner Offizin neben dem Orts-Phyſikus und
zeigte dieſem ohne Hutabziehen, und ſonſtige
Gruß-Schuͤſſe mit ausgeſtrecktem Arme den
Giftmiſcher und Haſendieb.

Erſt ſpät bey Licht-Anzuͤnden, kam er
zu Hauſe an. Er hoͤrte, Theoda, die ſchon
Vormittags angelangt, ſey bey ihrer Freundin.
Halb verdruͤßlich machte er ſich nach Mehlhorns
Wohnung im Erdgeſchoſſe auf, welches fuͤr
ihn den Vortheil hatte, daß es Abends durch
Fenſterladen gut genug verſchloſſen war, um
ungeſehen durch ſie hinein zu ſehen.

Katzenberger war ein Mann von vielen
Grundſaͤtzen, worunter er einen hatte, den zarte
Seelen, welche die menſchliche von keiner ſicht-
baren Gegenwart gemilderte Schaͤrfe der Ur-
theile uͤber daube Abweſende ſchwer ertragen,
ihm nicht ſo leicht nachbefolgen konnten, naͤm-
lich den zu — horchen und zu luken. Darum
erklaͤrte er beſonders Fenſter-Laͤden der Erd-
geſchoſſe fuͤr die beſten Operngucker und Hoͤr-

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[132/0138] Dieſer ſtand eben unter der pharmazeutiſchen Glasthuͤre, und unter der Wappen-Schlange ſeiner Offizin neben dem Orts-Phyſikus und zeigte dieſem ohne Hutabziehen, und ſonſtige Gruß-Schuͤſſe mit ausgeſtrecktem Arme den Giftmiſcher und Haſendieb. Erſt ſpät bey Licht-Anzuͤnden, kam er zu Hauſe an. Er hoͤrte, Theoda, die ſchon Vormittags angelangt, ſey bey ihrer Freundin. Halb verdruͤßlich machte er ſich nach Mehlhorns Wohnung im Erdgeſchoſſe auf, welches fuͤr ihn den Vortheil hatte, daß es Abends durch Fenſterladen gut genug verſchloſſen war, um ungeſehen durch ſie hinein zu ſehen. Katzenberger war ein Mann von vielen Grundſaͤtzen, worunter er einen hatte, den zarte Seelen, welche die menſchliche von keiner ſicht- baren Gegenwart gemilderte Schaͤrfe der Ur- theile uͤber daube Abweſende ſchwer ertragen, ihm nicht ſo leicht nachbefolgen konnten, naͤm- lich den zu — horchen und zu luken. Darum erklaͤrte er beſonders Fenſter-Laͤden der Erd- geſchoſſe fuͤr die beſten Operngucker und Hoͤr-

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/138>, abgerufen am 29.04.2024.