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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

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Ja wäre bey der jetzigen Bühnenverbesserung
nicht -- nach dem Muster der Orientsfürsten,
weiche ihrem Weiberrathe der 500 jungen,
nur Männer zu Vorstehern geben, die keine
sind, sondern stumme, taube, und beynahe
(als Zwerge) unsichtbare -- eine Bühne zu er-
bauen möglich, welche die Spieler durch perspekti-
vische Künste in eine so abgemeßne Entfernung von
den Zuhörern stellte, daß diese sich wirklich täusch-
ten und nichts zu hören und zu sehen dächten?

Nirgends ist aber wohl parzielle Taubheit
von größerem Nutzen, als da, wo sie am häu-
figsten anzuwenden ist, im Sprech- oder
Hörzimmer, das größte auf der Erde, wenn
sie es nicht selber ist. Da es auf der einen
Seite so unschicklich ist, einen Nebenmenschen
mitten in seiner Rede stehen zu lassen und da-
von zu gehen -- oder auch ihm ganz laß und
abgespannt zuzuhören -- oder vollends vor sei-
ner Unterhaltung beyde Ohren zuzuhalten --
und da doch auf der andern Seite in mehre-
ren deutschen Reichskreisen und Zirkeln und
cercles fast an jedem Abend Dinge gesagt

Ja waͤre bey der jetzigen Buͤhnenverbeſſerung
nicht — nach dem Muſter der Orientsfuͤrſten,
weiche ihrem Weiberrathe der 500 jungen,
nur Maͤnner zu Vorſtehern geben, die keine
ſind, ſondern ſtumme, taube, und beynahe
(als Zwerge) unſichtbare — eine Buͤhne zu er-
bauen moͤglich, welche die Spieler durch perſpekti-
viſche Kuͤnſte in eine ſo abgemeßne Entfernung von
den Zuhoͤrern ſtellte, daß dieſe ſich wirklich taͤuſch-
ten und nichts zu hören und zu ſehen daͤchten?

Nirgends iſt aber wohl parzielle Taubheit
von groͤßerem Nutzen, als da, wo ſie am haͤu-
figſten anzuwenden iſt, im Sprech- oder
Hoͤrzimmer, das groͤßte auf der Erde, wenn
ſie es nicht ſelber iſt. Da es auf der einen
Seite ſo unſchicklich iſt, einen Nebenmenſchen
mitten in ſeiner Rede ſtehen zu laſſen und da-
von zu gehen — oder auch ihm ganz laß und
abgeſpannt zuzuhören — oder vollends vor ſei-
ner Unterhaltung beyde Ohren zuzuhalten —
und da doch auf der andern Seite in mehre-
ren deutſchen Reichskreiſen und Zirkeln und
cercles faſt an jedem Abend Dinge geſagt

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[197/0203] Ja waͤre bey der jetzigen Buͤhnenverbeſſerung nicht — nach dem Muſter der Orientsfuͤrſten, weiche ihrem Weiberrathe der 500 jungen, nur Maͤnner zu Vorſtehern geben, die keine ſind, ſondern ſtumme, taube, und beynahe (als Zwerge) unſichtbare — eine Buͤhne zu er- bauen moͤglich, welche die Spieler durch perſpekti- viſche Kuͤnſte in eine ſo abgemeßne Entfernung von den Zuhoͤrern ſtellte, daß dieſe ſich wirklich taͤuſch- ten und nichts zu hören und zu ſehen daͤchten? Nirgends iſt aber wohl parzielle Taubheit von groͤßerem Nutzen, als da, wo ſie am haͤu- figſten anzuwenden iſt, im Sprech- oder Hoͤrzimmer, das groͤßte auf der Erde, wenn ſie es nicht ſelber iſt. Da es auf der einen Seite ſo unſchicklich iſt, einen Nebenmenſchen mitten in ſeiner Rede ſtehen zu laſſen und da- von zu gehen — oder auch ihm ganz laß und abgeſpannt zuzuhören — oder vollends vor ſei- ner Unterhaltung beyde Ohren zuzuhalten — und da doch auf der andern Seite in mehre- ren deutſchen Reichskreiſen und Zirkeln und cercles faſt an jedem Abend Dinge geſagt

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/203>, abgerufen am 30.04.2024.