werden, an welche man sich den Morgen dar- auf mit der größten Langweile erinnert: so kenn' ich kein größeres Glück, ich meine keine schönere Ausgleichung zwischen Selbst- und Menschen-Liebe als linke Taubheit; vergnügt und munter ruh' ich vor meinem gesprächigen Nachbar auf der Hand mit dem rechten Ohre, um es zu decken, und betreibe ohne Händel und Skandal (das Vexierohr halt' ich ihm offen hin) meine innern Angelegenheiten wäh- rend der auswärtigen.
Dieß alles muß jetzt viel weitläuftiger ge- sagt, und dann wiederholt werden.
Jeder hat Stunden, wo er klagt, daß sie ihm langweilig hinflössen, weniger wegen Mangel an Gesellschaft, als wegen Daseyn derselben. --
Jeder hat gesellige Tage, die er Novem- berhefte des Lebens nennt, um figürlich und beißend zu seyn-- er will nämlich damit ent- weder sagen, jede Sache werde in Gesellschaf- ten zweymal gesagt, gleichsam von Doppelspah- ten gezeigt, oder sonst etwas. --
werden, an welche man ſich den Morgen dar- auf mit der groͤßten Langweile erinnert: ſo kenn’ ich kein groͤßeres Gluͤck, ich meine keine ſchoͤnere Ausgleichung zwiſchen Selbſt- und Menſchen-Liebe als linke Taubheit; vergnuͤgt und munter ruh’ ich vor meinem geſpraͤchigen Nachbar auf der Hand mit dem rechten Ohre, um es zu decken, und betreibe ohne Haͤndel und Skandal (das Vexierohr halt’ ich ihm offen hin) meine innern Angelegenheiten waͤh- rend der auswärtigen.
Dieß alles muß jetzt viel weitlaͤuftiger ge- ſagt, und dann wiederholt werden.
Jeder hat Stunden, wo er klagt, daß ſie ihm langweilig hinflöſſen, weniger wegen Mangel an Geſellſchaft, als wegen Daſeyn derſelben. —
Jeder hat geſellige Tage, die er Novem- berhefte des Lebens nennt, um figuͤrlich und beißend zu ſeyn— er will nämlich damit ent- weder ſagen, jede Sache werde in Geſellſchaf- ten zweymal geſagt, gleichſam von Doppelſpah- ten gezeigt, oder ſonſt etwas. —
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werden, an welche man ſich den Morgen dar-
auf mit der groͤßten Langweile erinnert: ſo
kenn’ ich kein groͤßeres Gluͤck, ich meine keine
ſchoͤnere Ausgleichung zwiſchen Selbſt- und
Menſchen-Liebe als linke Taubheit; vergnuͤgt
und munter ruh’ ich vor meinem geſpraͤchigen
Nachbar auf der Hand mit dem rechten Ohre,
um es zu decken, und betreibe ohne Haͤndel
und Skandal (das Vexierohr halt’ ich ihm
offen hin) meine innern Angelegenheiten waͤh-
rend der auswärtigen.
Dieß alles muß jetzt viel weitlaͤuftiger ge-
ſagt, und dann wiederholt werden.
Jeder hat Stunden, wo er klagt, daß ſie
ihm langweilig hinflöſſen, weniger wegen
Mangel an Geſellſchaft, als wegen Daſeyn
derſelben. —
Jeder hat geſellige Tage, die er Novem-
berhefte des Lebens nennt, um figuͤrlich und
beißend zu ſeyn— er will nämlich damit ent-
weder ſagen, jede Sache werde in Geſellſchaf-
ten zweymal geſagt, gleichſam von Doppelſpah-
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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/204>, abgerufen am 30.04.2024.
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