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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

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Wird gar von Amts-, Huldigungs-, Kan-
zelrednern oder von dem Bruder Redner (ei-
nem sehr ernsten frere terrible) gesprochen:
so sind die Klagen wirklich herb. -- -- --

Aber hier liegt nun die Schuld (darauf
sollte, die lange Periode wo möglich führen)
viel weniger an den Sprechern als an den
Hörern selber, welche, anstatt wie gute Ba-
rometer, nur eine Oeffnung zu haben, zwey
Ohren öffnen und folglich Luft einlassen. Ein
Mann aber mit einhörigem Ohr -- das er so
leicht zumacht als ein dummes Buch -- schätzt
geselligen Verkehr. Kann er denn nicht --
dieß weiß er -- mitten unter gedachten Reden
wie zufällig, ans Hör. Ohr den Stockknopf le-
gen -- oder den Kopf auf die Hand, oder es
sonst verschließen -- oder ohne es zu thun,
sich umdrehen und jedem sein geschloßnes Ohr
zuwenden, und dadurch so glücklich werden,
als wenige? -- Wie seelig war ich in oft den
vornehmsten Männerzirkeln, wo als in Epi-
kurs- und Augias-Ställen die kothigsten Anek-
doten aller Art umliefen, wenn ich nichts als

Wird gar von Amts-, Huldigungs-, Kan-
zelrednern oder von dem Bruder Redner (ei-
nem ſehr ernſten frère terrible) geſprochen:
ſo ſind die Klagen wirklich herb. — — —

Aber hier liegt nun die Schuld (darauf
ſollte, die lange Periode wo moͤglich fuͤhren)
viel weniger an den Sprechern als an den
Hoͤrern ſelber, welche, anſtatt wie gute Ba-
rometer, nur eine Oeffnung zu haben, zwey
Ohren oͤffnen und folglich Luft einlaſſen. Ein
Mann aber mit einhörigem Ohr — das er ſo
leicht zumacht als ein dummes Buch — ſchaͤtzt
geſelligen Verkehr. Kann er denn nicht —
dieß weiß er — mitten unter gedachten Reden
wie zufaͤllig, ans Hoͤr. Ohr den Stockknopf le-
gen — oder den Kopf auf die Hand, oder es
ſonſt verſchließen — oder ohne es zu thun,
ſich umdrehen und jedem ſein geſchloßnes Ohr
zuwenden, und dadurch ſo gluͤcklich werden,
als wenige? — Wie ſeelig war ich in oft den
vornehmſten Maͤnnerzirkeln, wo als in Epi-
kurs- und Augias-Staͤllen die kothigſten Anek-
doten aller Art umliefen, wenn ich nichts als

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[200/0206] Wird gar von Amts-, Huldigungs-, Kan- zelrednern oder von dem Bruder Redner (ei- nem ſehr ernſten frère terrible) geſprochen: ſo ſind die Klagen wirklich herb. — — — Aber hier liegt nun die Schuld (darauf ſollte, die lange Periode wo moͤglich fuͤhren) viel weniger an den Sprechern als an den Hoͤrern ſelber, welche, anſtatt wie gute Ba- rometer, nur eine Oeffnung zu haben, zwey Ohren oͤffnen und folglich Luft einlaſſen. Ein Mann aber mit einhörigem Ohr — das er ſo leicht zumacht als ein dummes Buch — ſchaͤtzt geſelligen Verkehr. Kann er denn nicht — dieß weiß er — mitten unter gedachten Reden wie zufaͤllig, ans Hoͤr. Ohr den Stockknopf le- gen — oder den Kopf auf die Hand, oder es ſonſt verſchließen — oder ohne es zu thun, ſich umdrehen und jedem ſein geſchloßnes Ohr zuwenden, und dadurch ſo gluͤcklich werden, als wenige? — Wie ſeelig war ich in oft den vornehmſten Maͤnnerzirkeln, wo als in Epi- kurs- und Augias-Staͤllen die kothigſten Anek- doten aller Art umliefen, wenn ich nichts als

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/206>, abgerufen am 30.04.2024.