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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

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mein blindes Ohrthor zeigend, in meinem zu-
gemauerten Konklave mitten unter moralischen
Sterkoranisten die köstlichsten biographischen
Madonnen erzeugte und anbetete! -- Aehn-
licher Weise durften sonst in Jülich und Berg
(einige Dörfer ausgenommen) Protestanten
an katholischen Heiligen-Tagen, nach Reichs-
gesetzen, nur arbeiten, wenn sie Thüren und
Fenster verschlossen. -- Wie wurd' ich oft von
mancher Erzählung gelabt, wenn sie lange und
langweilig genug war, daß ich während ihres
Verlaufs, mit offenem Gesicht am verschloßnen
Kopf heiter am neuesten Druckbogen fortarbei-
ten konnte z. B. an diesem! Wurd' ich dann
wieder, wie ein Siebenschläfer und Epimenides
wach, so umzog mich eine verjüngte Welt, und
frische Gespräche versuchten ihr Heil.

-- -- Hier komme ich leider scheinbar in
den Fall der Buchhändler und Fürsten, welche
das Allgemeinste oft als Herold dem Bestimm-
testen vorausschicken, die Ewigkeit dem Markt-
tage, wenn ich auf die Partie Ohren-Körke
oder Hörschirme aufmerksam und begierig mache,

mein blindes Ohrthor zeigend, in meinem zu-
gemauerten Konklave mitten unter moraliſchen
Sterkoraniſten die koͤſtlichſten biographiſchen
Madonnen erzeugte und anbetete! — Aehn-
licher Weiſe durften ſonſt in Jülich und Berg
(einige Doͤrfer ausgenommen) Proteſtanten
an katholiſchen Heiligen-Tagen, nach Reichs-
geſetzen, nur arbeiten, wenn ſie Thuͤren und
Fenſter verſchloſſen. — Wie wurd’ ich oft von
mancher Erzählung gelabt, wenn ſie lange und
langweilig genug war, daß ich waͤhrend ihres
Verlaufs, mit offenem Geſicht am verſchloßnen
Kopf heiter am neueſten Druckbogen fortarbei-
ten konnte z. B. an dieſem! Wurd’ ich dann
wieder, wie ein Siebenſchlaͤfer und Epimenides
wach, ſo umzog mich eine verjuͤngte Welt, und
friſche Geſpraͤche verſuchten ihr Heil.

— — Hier komme ich leider ſcheinbar in
den Fall der Buchhaͤndler und Fuͤrſten, welche
das Allgemeinſte oft als Herold dem Beſtimm-
teſten vorausſchicken, die Ewigkeit dem Markt-
tage, wenn ich auf die Partie Ohren-Koͤrke
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[201/0207] mein blindes Ohrthor zeigend, in meinem zu- gemauerten Konklave mitten unter moraliſchen Sterkoraniſten die koͤſtlichſten biographiſchen Madonnen erzeugte und anbetete! — Aehn- licher Weiſe durften ſonſt in Jülich und Berg (einige Doͤrfer ausgenommen) Proteſtanten an katholiſchen Heiligen-Tagen, nach Reichs- geſetzen, nur arbeiten, wenn ſie Thuͤren und Fenſter verſchloſſen. — Wie wurd’ ich oft von mancher Erzählung gelabt, wenn ſie lange und langweilig genug war, daß ich waͤhrend ihres Verlaufs, mit offenem Geſicht am verſchloßnen Kopf heiter am neueſten Druckbogen fortarbei- ten konnte z. B. an dieſem! Wurd’ ich dann wieder, wie ein Siebenſchlaͤfer und Epimenides wach, ſo umzog mich eine verjuͤngte Welt, und friſche Geſpraͤche verſuchten ihr Heil. — — Hier komme ich leider ſcheinbar in den Fall der Buchhaͤndler und Fuͤrſten, welche das Allgemeinſte oft als Herold dem Beſtimm- teſten vorausſchicken, die Ewigkeit dem Markt- tage, wenn ich auf die Partie Ohren-Koͤrke oder Hoͤrſchirme aufmerkſam und begierig mache,

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/207>, abgerufen am 30.04.2024.