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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

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desto mehr achtet man das Vorschlafen. Ei-
nem alten Manne wäre daher mein linker
Vorzug mehr zu gönnen; seinen Regenschirm
muß er ja zugleich gegen Schnee und Ha-
gel
tragen. Es sey nun, weil der Schlaf
ein Vorspiel und Vorzimmer des Todes ist,
welcher alle Sinne früher schließt als das Ohr,
oder weil man in jenem (wie in diesem) die
Augen zumacht, auf Augenschluß aber (nach
Eschke's Bemerkung) leiseres Hören folgt, oder
weil der schlaue Greis mehr befürchtet und
mithin behorcht, genug er kann wenig schlafen
vor Lärm. So bedeutet es nasses Wetter,
wenn Thüren und Fenster nicht zugehen.
Hunde -- Mäuse -- Wirthshausgäste -- Re-
dutenwagen -- der eigne Athem, der zu laut
wird -- alles weckt den Mann und wacht um
ihn; die Frühlingsstürme, die ihm nicht viel
Blumenstaub ins welke Leben wehen, sammt
den Passatstürmen der Nachtwächter, brechen
in seine Ohren ein und stehlen den Schlaf.
Ich hingegen mit der Gabe, ein Ohr weniger
zu haben, lege mich (außer in verdächtigen

deſto mehr achtet man das Vorſchlafen. Ei-
nem alten Manne waͤre daher mein linker
Vorzug mehr zu gönnen; ſeinen Regenſchirm
muß er ja zugleich gegen Schnee und Ha-
gel
tragen. Es ſey nun, weil der Schlaf
ein Vorſpiel und Vorzimmer des Todes iſt,
welcher alle Sinne fruͤher ſchließt als das Ohr,
oder weil man in jenem (wie in dieſem) die
Augen zumacht, auf Augenſchluß aber (nach
Eſchke’s Bemerkung) leiſeres Hören folgt, oder
weil der ſchlaue Greis mehr befuͤrchtet und
mithin behorcht, genug er kann wenig ſchlafen
vor Laͤrm. So bedeutet es naſſes Wetter,
wenn Thuͤren und Fenſter nicht zugehen.
Hunde — Maͤuſe — Wirthshausgaͤſte — Re-
dutenwagen — der eigne Athem, der zu laut
wird — alles weckt den Mann und wacht um
ihn; die Fruͤhlingsſtuͤrme, die ihm nicht viel
Blumenſtaub ins welke Leben wehen, ſammt
den Paſſatſtuͤrmen der Nachtwaͤchter, brechen
in ſeine Ohren ein und ſtehlen den Schlaf.
Ich hingegen mit der Gabe, ein Ohr weniger
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[204/0210] deſto mehr achtet man das Vorſchlafen. Ei- nem alten Manne waͤre daher mein linker Vorzug mehr zu gönnen; ſeinen Regenſchirm muß er ja zugleich gegen Schnee und Ha- gel tragen. Es ſey nun, weil der Schlaf ein Vorſpiel und Vorzimmer des Todes iſt, welcher alle Sinne fruͤher ſchließt als das Ohr, oder weil man in jenem (wie in dieſem) die Augen zumacht, auf Augenſchluß aber (nach Eſchke’s Bemerkung) leiſeres Hören folgt, oder weil der ſchlaue Greis mehr befuͤrchtet und mithin behorcht, genug er kann wenig ſchlafen vor Laͤrm. So bedeutet es naſſes Wetter, wenn Thuͤren und Fenſter nicht zugehen. Hunde — Maͤuſe — Wirthshausgaͤſte — Re- dutenwagen — der eigne Athem, der zu laut wird — alles weckt den Mann und wacht um ihn; die Fruͤhlingsſtuͤrme, die ihm nicht viel Blumenſtaub ins welke Leben wehen, ſammt den Paſſatſtuͤrmen der Nachtwaͤchter, brechen in ſeine Ohren ein und ſtehlen den Schlaf. Ich hingegen mit der Gabe, ein Ohr weniger zu haben, lege mich (außer in verdaͤchtigen

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/210>, abgerufen am 30.04.2024.