Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

Volkslehrer dem Haufen manches zu versinnli-
chen was der Meister vom Stuhle zu sehr
vergeistigte, so daß seine Schreibfeder, indeß
die philosophische als Schwanzfeder hinten den
Vogel steuere, als Schwungfeder im Flügel-
knochen ihn hebe.

Darauf fuhr ich ruhiger fort: "Das Ver-
anlassen des Mordes scheint niedriger zu seyn
als jedes Begehen desselben, weil es feiger ist
-- weil es zwey fremde Leben aussetzt -- und
weil es die dringende und die mordende Seele
zugleich vergiftet. Und wenn eine öffentliche
uneigennützige, kriegerische, das eigne Leben
absichtlich hingebende Hinrichtung ein Meuchel-
mord ist: wie nennt dann Girtanner einen
heimlichen, bezahlten, gefahrlosen Mord?"

Der Präsident fragte lächelnd: "ob man
das fremde Leben opfern darf? -- Ja ich möchte
vorerst wissen, ob nur das eigne wegzugeben
ist. Kann die Sittlichkeit ihre eigne Aufhebung
durch den Tod gebieten, und sich durch eine
Handlung das Mittel (was unstreitig das Le-
ben ist) benehmen, sich zu wiederholen? Denn

Volkslehrer dem Haufen manches zu verſinnli-
chen was der Meiſter vom Stuhle zu ſehr
vergeiſtigte, ſo daß ſeine Schreibfeder, indeß
die philoſophiſche als Schwanzfeder hinten den
Vogel ſteuere, als Schwungfeder im Fluͤgel-
knochen ihn hebe.

Darauf fuhr ich ruhiger fort: „Das Ver-
anlaſſen des Mordes ſcheint niedriger zu ſeyn
als jedes Begehen deſſelben, weil es feiger iſt
— weil es zwey fremde Leben ausſetzt — und
weil es die dringende und die mordende Seele
zugleich vergiftet. Und wenn eine oͤffentliche
uneigennuͤtzige, kriegeriſche, das eigne Leben
abſichtlich hingebende Hinrichtung ein Meuchel-
mord iſt: wie nennt dann Girtanner einen
heimlichen, bezahlten, gefahrloſen Mord?”

Der Präſident fragte lächelnd: „ob man
das fremde Leben opfern darf? — Ja ich möchte
vorerſt wiſſen, ob nur das eigne wegzugeben
iſt. Kann die Sittlichkeit ihre eigne Aufhebung
durch den Tod gebieten, und ſich durch eine
Handlung das Mittel (was unſtreitig das Le-
ben iſt) benehmen, ſich zu wiederholen? Denn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0216" n="210"/>
Volkslehrer dem Haufen manches zu ver&#x017F;innli-<lb/>
chen was der Mei&#x017F;ter vom Stuhle zu &#x017F;ehr<lb/>
vergei&#x017F;tigte, &#x017F;o daß &#x017F;eine Schreibfeder, indeß<lb/>
die philo&#x017F;ophi&#x017F;che als Schwanzfeder hinten den<lb/>
Vogel <hi rendition="#g">&#x017F;teuere</hi>, als Schwungfeder im Flu&#x0364;gel-<lb/>
knochen ihn <hi rendition="#g">hebe</hi>.</p><lb/>
          <p>Darauf fuhr ich ruhiger fort: &#x201E;Das Ver-<lb/>
anla&#x017F;&#x017F;en des Mordes &#x017F;cheint niedriger zu &#x017F;eyn<lb/>
als jedes Begehen de&#x017F;&#x017F;elben, weil es feiger i&#x017F;t<lb/>
&#x2014; weil es zwey fremde Leben aus&#x017F;etzt &#x2014; und<lb/>
weil es die dringende und die mordende Seele<lb/>
zugleich vergiftet. Und wenn eine o&#x0364;ffentliche<lb/>
uneigennu&#x0364;tzige, kriegeri&#x017F;che, das eigne Leben<lb/>
ab&#x017F;ichtlich hingebende Hinrichtung ein Meuchel-<lb/>
mord i&#x017F;t: wie nennt dann Girtanner einen<lb/>
heimlichen, bezahlten, gefahrlo&#x017F;en Mord?&#x201D;</p><lb/>
          <p>Der Prä&#x017F;ident fragte lächelnd: &#x201E;ob man<lb/>
das fremde Leben opfern darf? &#x2014; Ja ich möchte<lb/>
vorer&#x017F;t wi&#x017F;&#x017F;en, ob nur das eigne wegzugeben<lb/>
i&#x017F;t. Kann die Sittlichkeit ihre eigne Aufhebung<lb/>
durch den Tod gebieten, und &#x017F;ich durch eine<lb/>
Handlung das Mittel (was un&#x017F;treitig das Le-<lb/>
ben i&#x017F;t) benehmen, &#x017F;ich zu wiederholen? Denn<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[210/0216] Volkslehrer dem Haufen manches zu verſinnli- chen was der Meiſter vom Stuhle zu ſehr vergeiſtigte, ſo daß ſeine Schreibfeder, indeß die philoſophiſche als Schwanzfeder hinten den Vogel ſteuere, als Schwungfeder im Fluͤgel- knochen ihn hebe. Darauf fuhr ich ruhiger fort: „Das Ver- anlaſſen des Mordes ſcheint niedriger zu ſeyn als jedes Begehen deſſelben, weil es feiger iſt — weil es zwey fremde Leben ausſetzt — und weil es die dringende und die mordende Seele zugleich vergiftet. Und wenn eine oͤffentliche uneigennuͤtzige, kriegeriſche, das eigne Leben abſichtlich hingebende Hinrichtung ein Meuchel- mord iſt: wie nennt dann Girtanner einen heimlichen, bezahlten, gefahrloſen Mord?” Der Präſident fragte lächelnd: „ob man das fremde Leben opfern darf? — Ja ich möchte vorerſt wiſſen, ob nur das eigne wegzugeben iſt. Kann die Sittlichkeit ihre eigne Aufhebung durch den Tod gebieten, und ſich durch eine Handlung das Mittel (was unſtreitig das Le- ben iſt) benehmen, ſich zu wiederholen? Denn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/216
Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/216>, abgerufen am 30.04.2024.