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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

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Flochs. Ans Hinwagen irgend eines Lebens
wäre dann so wenig zu denken, daß man
nicht einmal mit der Auflösung der Frage zu
Rande käme: ob man nur eines geben
dürfe; ob man nicht zu kühn verfahre, wenn
man auf die Erde einen ganz neuen unbekann-
ten Menschen einführe, für dessen Anlagen
und Einflüssen man gerade so wenig stehen
könne, als für dessen Schicksale, indem er ja
der jährliche Septembriseur jeder zwölf Mo-
nate und des Jahrhunderts werden, und durch
diese in Gift-Gärten des Geistes und in Hun-
gerwüsten des Körpers unheilbar untergehen
könne. Ich erstaune dann über einen, der hei-
rathet.

Aber, versetzte der Präsident, was geht
die reine Absicht der Erfolg an? Die allwis-
sende und allmächtige Vorsehung mag mit sich
selber diesen ausmachen; ich bin keine. Gesetzt
z. B. eine Frau riefe in der Nacht um Hilfe,
und ich eilte hinzu, und brächte aus meinem
Sandwege einige leicht Fünkchen gebende Sand-
körnchen mit in die mir unbekannte Pulver-

Flochs. Ans Hinwagen irgend eines Lebens
waͤre dann ſo wenig zu denken, daß man
nicht einmal mit der Aufloͤſung der Frage zu
Rande kaͤme: ob man nur eines geben
duͤrfe; ob man nicht zu kuͤhn verfahre, wenn
man auf die Erde einen ganz neuen unbekann-
ten Menſchen einfuͤhre, fuͤr deſſen Anlagen
und Einfluͤſſen man gerade ſo wenig ſtehen
koͤnne, als fuͤr deſſen Schickſale, indem er ja
der jaͤhrliche Septembriſeur jeder zwoͤlf Mo-
nate und des Jahrhunderts werden, und durch
dieſe in Gift-Gärten des Geiſtes und in Hun-
gerwuͤſten des Koͤrpers unheilbar untergehen
koͤnne. Ich erſtaune dann uͤber einen, der hei-
rathet.

Aber, verſetzte der Präſident, was geht
die reine Abſicht der Erfolg an? Die allwiſ-
ſende und allmaͤchtige Vorſehung mag mit ſich
ſelber dieſen ausmachen; ich bin keine. Geſetzt
z. B. eine Frau riefe in der Nacht um Hilfe,
und ich eilte hinzu, und braͤchte aus meinem
Sandwege einige leicht Fuͤnkchen gebende Sand-
körnchen mit in die mir unbekannte Pulver-

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[219/0225] Flochs. Ans Hinwagen irgend eines Lebens waͤre dann ſo wenig zu denken, daß man nicht einmal mit der Aufloͤſung der Frage zu Rande kaͤme: ob man nur eines geben duͤrfe; ob man nicht zu kuͤhn verfahre, wenn man auf die Erde einen ganz neuen unbekann- ten Menſchen einfuͤhre, fuͤr deſſen Anlagen und Einfluͤſſen man gerade ſo wenig ſtehen koͤnne, als fuͤr deſſen Schickſale, indem er ja der jaͤhrliche Septembriſeur jeder zwoͤlf Mo- nate und des Jahrhunderts werden, und durch dieſe in Gift-Gärten des Geiſtes und in Hun- gerwuͤſten des Koͤrpers unheilbar untergehen koͤnne. Ich erſtaune dann uͤber einen, der hei- rathet. Aber, verſetzte der Präſident, was geht die reine Abſicht der Erfolg an? Die allwiſ- ſende und allmaͤchtige Vorſehung mag mit ſich ſelber dieſen ausmachen; ich bin keine. Geſetzt z. B. eine Frau riefe in der Nacht um Hilfe, und ich eilte hinzu, und braͤchte aus meinem Sandwege einige leicht Fuͤnkchen gebende Sand- körnchen mit in die mir unbekannte Pulver-

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/225>, abgerufen am 30.04.2024.