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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

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licher Vorhimmel vor ihrem Tode gewesen.
Griechen und Römer und die großen Schrift-
steller der neueren Zeit hatten sie erzogen,
um sie (nach ihrer Aussage) zu einer Republi-
kanerin vor der Republik gemacht. Sie war
kühn bis sogar in die Religion hinüber. Als
das Revoluzions-Tribunal sie fragte: haben
Sie einen Beichtvater, so antwortete sie: kei-
nen. -- Er fragte: halten Sie es mit den
vereideten Priestern, oder mit den unvereide-
ten? -- "Sie antwortete: Ich verachte beyde."
Folglich kein religiöser Fanatismus reichte oder
weihete dem jungfräulichen Würgengel das
Schwert. -- Bey aller Gluth ihres innern
Wesens und allem Glanz ihrer Gestalt blieb
doch fremde und erwiederte Liebe von ihr ab-
gewiesen; sie achtete die Männer wenig, weil
eine weibliche Seele in der Liebe das höhere
Wesen sucht *) und ihre erhabnere nicht einmal

*) Wenige Männer würden eine Corday, eine Jeanne
d' Arc heyrathen wollen; aber die meisten Weiber
gewiß einen Brutus, und ähnliche; und in sofern steht
die weibliche Liebe höher. In der Freundschaft keh-
ren es aber beyde Geschlechter um.

licher Vorhimmel vor ihrem Tode geweſen.
Griechen und Roͤmer und die großen Schrift-
ſteller der neueren Zeit hatten ſie erzogen,
um ſie (nach ihrer Auſſage) zu einer Republi-
kanerin vor der Republik gemacht. Sie war
kuͤhn bis ſogar in die Religion hinuͤber. Als
das Revoluzions-Tribunal ſie fragte: haben
Sie einen Beichtvater, ſo antwortete ſie: kei-
nen. — Er fragte: halten Sie es mit den
vereideten Prieſtern, oder mit den unvereide-
ten? — „Sie antwortete: Ich verachte beyde.“
Folglich kein religioͤſer Fanatismus reichte oder
weihete dem jungfraͤulichen Wuͤrgengel das
Schwert. — Bey aller Gluth ihres innern
Weſens und allem Glanz ihrer Geſtalt blieb
doch fremde und erwiederte Liebe von ihr ab-
gewieſen; ſie achtete die Maͤnner wenig, weil
eine weibliche Seele in der Liebe das hoͤhere
Weſen ſucht *) und ihre erhabnere nicht einmal

*) Wenige Männer würden eine Corday, eine Jeanne
d’ Arc heyrathen wollen; aber die meiſten Weiber
gewiß einen Brutus, und ähnliche; und in ſofern ſteht
die weibliche Liebe höher. In der Freundſchaft keh-
ren es aber beyde Geſchlechter um.
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[233/0239] licher Vorhimmel vor ihrem Tode geweſen. Griechen und Roͤmer und die großen Schrift- ſteller der neueren Zeit hatten ſie erzogen, um ſie (nach ihrer Auſſage) zu einer Republi- kanerin vor der Republik gemacht. Sie war kuͤhn bis ſogar in die Religion hinuͤber. Als das Revoluzions-Tribunal ſie fragte: haben Sie einen Beichtvater, ſo antwortete ſie: kei- nen. — Er fragte: halten Sie es mit den vereideten Prieſtern, oder mit den unvereide- ten? — „Sie antwortete: Ich verachte beyde.“ Folglich kein religioͤſer Fanatismus reichte oder weihete dem jungfraͤulichen Wuͤrgengel das Schwert. — Bey aller Gluth ihres innern Weſens und allem Glanz ihrer Geſtalt blieb doch fremde und erwiederte Liebe von ihr ab- gewieſen; ſie achtete die Maͤnner wenig, weil eine weibliche Seele in der Liebe das hoͤhere Weſen ſucht *) und ihre erhabnere nicht einmal *) Wenige Männer würden eine Corday, eine Jeanne d’ Arc heyrathen wollen; aber die meiſten Weiber gewiß einen Brutus, und ähnliche; und in ſofern ſteht die weibliche Liebe höher. In der Freundſchaft keh- ren es aber beyde Geſchlechter um.

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/239>, abgerufen am 30.04.2024.