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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

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das ähnliche fand; daher sie, als der Präsi-
dent mit gewöhnlicher Härte gefragt, ob sie
schwanger sey; versetzte: "ich fand und kannte
noch keinen Mann, den ich meiner würdig ge-
achtet hätte; denn Marat lebte noch." --
Die Expeditionsstube des weiblichen Lebens kam
ihr enge dumpf und staubig vor; -- "Die
republikanischen Franzosen (schrieb sie an Bar-
baroux) begreifen es nicht, wie eine Frau ihr
Leben, dessen längste Dauer ohnehin nicht
viel Gutes erschaft, kaltblütig dem Vaterlande
opfern könne." -- "Nur die Jungfrau --
unterbrach der Graf -- stirbt für Welt und
Vaterland; die Mutter blos für Kinder und
Mann. Jene ist noch eine Alpenpflanze, an
welcher die Blume größer ist als die ganze
Pflanze. Du edle Charlotte, du liebtest nicht
und warest so groß." --

Wenn schon gewöhnliche Weiber -- fuhr
ich fort -- ihr Leben mehr in Ideen führen
als wir, nämlich in sofern sie mehr mit dem
Herzen denken, wir aber mehr mit dem Kopfe
und wenn sie daher oft durch ein großes Le-

das aͤhnliche fand; daher ſie, als der Praͤſi-
dent mit gewoͤhnlicher Haͤrte gefragt, ob ſie
ſchwanger ſey; verſetzte: „ich fand und kannte
noch keinen Mann, den ich meiner wuͤrdig ge-
achtet haͤtte; denn Marat lebte noch.“ —
Die Expeditionsſtube des weiblichen Lebens kam
ihr enge dumpf und ſtaubig vor; — „Die
republikaniſchen Franzoſen (ſchrieb ſie an Bar-
baroux) begreifen es nicht, wie eine Frau ihr
Leben, deſſen laͤngſte Dauer ohnehin nicht
viel Gutes erſchaft, kaltbluͤtig dem Vaterlande
opfern koͤnne.“ — „Nur die Jungfrau —
unterbrach der Graf — ſtirbt fuͤr Welt und
Vaterland; die Mutter blos fuͤr Kinder und
Mann. Jene iſt noch eine Alpenpflanze, an
welcher die Blume groͤßer iſt als die ganze
Pflanze. Du edle Charlotte, du liebteſt nicht
und wareſt ſo groß.“ —

Wenn ſchon gewoͤhnliche Weiber — fuhr
ich fort — ihr Leben mehr in Ideen fuͤhren
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[234/0240] das aͤhnliche fand; daher ſie, als der Praͤſi- dent mit gewoͤhnlicher Haͤrte gefragt, ob ſie ſchwanger ſey; verſetzte: „ich fand und kannte noch keinen Mann, den ich meiner wuͤrdig ge- achtet haͤtte; denn Marat lebte noch.“ — Die Expeditionsſtube des weiblichen Lebens kam ihr enge dumpf und ſtaubig vor; — „Die republikaniſchen Franzoſen (ſchrieb ſie an Bar- baroux) begreifen es nicht, wie eine Frau ihr Leben, deſſen laͤngſte Dauer ohnehin nicht viel Gutes erſchaft, kaltbluͤtig dem Vaterlande opfern koͤnne.“ — „Nur die Jungfrau — unterbrach der Graf — ſtirbt fuͤr Welt und Vaterland; die Mutter blos fuͤr Kinder und Mann. Jene iſt noch eine Alpenpflanze, an welcher die Blume groͤßer iſt als die ganze Pflanze. Du edle Charlotte, du liebteſt nicht und wareſt ſo groß.“ — Wenn ſchon gewoͤhnliche Weiber — fuhr ich fort — ihr Leben mehr in Ideen fuͤhren als wir, naͤmlich in ſofern ſie mehr mit dem Herzen denken, wir aber mehr mit dem Kopfe und wenn ſie daher oft durch ein großes Le-

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/240>, abgerufen am 30.04.2024.