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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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Kinder und Weine und indianische Hühner genug
hat, wäre gut daran; aber falsch: Hetz leidets
nicht. Denn sobald die Suppe auf dem Tische
raucht: so umschift Hetz den Tisch, springt in die
Höhe, -- seine Schnauze liegt dann wasserpaß in
einer Ebene mit der Rehkeule -- und bilt und sto¬
chert mit dem Kopfe an jedes Knie so sehr, beson¬
ders ans ordinirte, daß der Mann seines Orts
wie in einem Fegefeuer fortschlucket und häufig
nicht weiß, käuet er Salz oder Zucker. Es rette¬
te ihn nicht, daß er oft den Hund selber anboll:
die Radikalkur dagegen wäre bloß die, Hetzen nie
einen Bissen zu geben. Er hielts auch oft Tage¬
lang; aber in der nächsten Mahlzeit bewarf er aus
Vergessen oder Unwillen den Plagegeist mit einem
Knochen. Dieser einzige Knochen verhunzte
den ganzen Hund: dem Seelenhirten ist besorg'
ich so lange nicht zu helfen bis Hetz, der von
selbst sich nicht ändert, etwann verreckt. Mir hin¬
gegen begegnet Hetz mit Vernunft und Schonung:
warum? -- so lang ich an jenem Tische aß: schenkt'
ich Hetzen keine Faser, ohne Ausnahme. Auf Hetze
und Menschen wirkt Festigkeit allmächtig. Wer
keinen Hund erziehen kann, Herr Rittmeister, kann

Kinder und Weine und indianiſche Huͤhner genug
hat, waͤre gut daran; aber falſch: Hetz leidets
nicht. Denn ſobald die Suppe auf dem Tiſche
raucht: ſo umſchift Hetz den Tiſch, ſpringt in die
Hoͤhe, — ſeine Schnauze liegt dann waſſerpaß in
einer Ebene mit der Rehkeule — und bilt und ſto¬
chert mit dem Kopfe an jedes Knie ſo ſehr, beſon¬
ders ans ordinirte, daß der Mann ſeines Orts
wie in einem Fegefeuer fortſchlucket und haͤufig
nicht weiß, kaͤuet er Salz oder Zucker. Es rette¬
te ihn nicht, daß er oft den Hund ſelber anboll:
die Radikalkur dagegen waͤre bloß die, Hetzen nie
einen Biſſen zu geben. Er hielts auch oft Tage¬
lang; aber in der naͤchſten Mahlzeit bewarf er aus
Vergeſſen oder Unwillen den Plagegeiſt mit einem
Knochen. Dieſer einzige Knochen verhunzte
den ganzen Hund: dem Seelenhirten iſt beſorg'
ich ſo lange nicht zu helfen bis Hetz, der von
ſelbſt ſich nicht aͤndert, etwann verreckt. Mir hin¬
gegen begegnet Hetz mit Vernunft und Schonung:
warum? — ſo lang ich an jenem Tiſche aß: ſchenkt'
ich Hetzen keine Faſer, ohne Ausnahme. Auf Hetze
und Menſchen wirkt Feſtigkeit allmaͤchtig. Wer
keinen Hund erziehen kann, Herr Rittmeiſter, kann

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[188/0224] Kinder und Weine und indianiſche Huͤhner genug hat, waͤre gut daran; aber falſch: Hetz leidets nicht. Denn ſobald die Suppe auf dem Tiſche raucht: ſo umſchift Hetz den Tiſch, ſpringt in die Hoͤhe, — ſeine Schnauze liegt dann waſſerpaß in einer Ebene mit der Rehkeule — und bilt und ſto¬ chert mit dem Kopfe an jedes Knie ſo ſehr, beſon¬ ders ans ordinirte, daß der Mann ſeines Orts wie in einem Fegefeuer fortſchlucket und haͤufig nicht weiß, kaͤuet er Salz oder Zucker. Es rette¬ te ihn nicht, daß er oft den Hund ſelber anboll: die Radikalkur dagegen waͤre bloß die, Hetzen nie einen Biſſen zu geben. Er hielts auch oft Tage¬ lang; aber in der naͤchſten Mahlzeit bewarf er aus Vergeſſen oder Unwillen den Plagegeiſt mit einem Knochen. Dieſer einzige Knochen verhunzte den ganzen Hund: dem Seelenhirten iſt beſorg' ich ſo lange nicht zu helfen bis Hetz, der von ſelbſt ſich nicht aͤndert, etwann verreckt. Mir hin¬ gegen begegnet Hetz mit Vernunft und Schonung: warum? — ſo lang ich an jenem Tiſche aß: ſchenkt' ich Hetzen keine Faſer, ohne Ausnahme. Auf Hetze und Menſchen wirkt Feſtigkeit allmaͤchtig. Wer keinen Hund erziehen kann, Herr Rittmeiſter, kann

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/224>, abgerufen am 29.04.2024.