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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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Weste bordirte ächtes Gold; seinen Magen und
seine Waden spann der Seidenwurm ein und seinen
Rücken das englische Schaaf. Es ist ganz der
menschlichen Bosheit gemäß, das Verschwendung
zu nennen, was hier wahre verheimlichte Wohl¬
thätigkeit war: denn alles was der unvollkomm¬
ne Karakter anhatte waren -- Pfänder; um die
Leute vom Verpfänden abzubringen, drohte er je¬
dem, jedes Pfand worauf er leihe, würd' er so
lange anziehen als es bei ihm stände. Auf diese
Art hielt er manchen ab und die Kleidung dessen,
bei dem menschenfreundliche Warnung nichts ver¬
fing, legte er wirklich Sonntags nach dem Essen
an. Es war daher weniger Mangel an Geschmack
als an Geiz und Härte, daß er, so wie mehrere
Personen, so auch mehrere Kleider vereinigte und
so bunt aufschritt wie eine Kleidermotte, wie eine
Farben-Pyramide von Lambert, oder wie ein Far¬
ben-Klavier.

Da ich so gewiß weiß, daß Verschwendung
ihn nicht verunzierte, so sehr es den Anschein
hat; so will ich allen Anschein durch die Nachricht
wegnehmen, daß er jeden Sonnabend sein Pfund
Fleisch im Zölibat kaufte -- und -- denn das be¬

Weſte bordirte aͤchtes Gold; ſeinen Magen und
ſeine Waden ſpann der Seidenwurm ein und ſeinen
Ruͤcken das engliſche Schaaf. Es iſt ganz der
menſchlichen Bosheit gemaͤß, das Verſchwendung
zu nennen, was hier wahre verheimlichte Wohl¬
thaͤtigkeit war: denn alles was der unvollkomm¬
ne Karakter anhatte waren — Pfaͤnder; um die
Leute vom Verpfaͤnden abzubringen, drohte er je¬
dem, jedes Pfand worauf er leihe, wuͤrd' er ſo
lange anziehen als es bei ihm ſtaͤnde. Auf dieſe
Art hielt er manchen ab und die Kleidung deſſen,
bei dem menſchenfreundliche Warnung nichts ver¬
fing, legte er wirklich Sonntags nach dem Eſſen
an. Es war daher weniger Mangel an Geſchmack
als an Geiz und Haͤrte, daß er, ſo wie mehrere
Perſonen, ſo auch mehrere Kleider vereinigte und
ſo bunt aufſchritt wie eine Kleidermotte, wie eine
Farben-Pyramide von Lambert, oder wie ein Far¬
ben-Klavier.

Da ich ſo gewiß weiß, daß Verſchwendung
ihn nicht verunzierte, ſo ſehr es den Anſchein
hat; ſo will ich allen Anſchein durch die Nachricht
wegnehmen, daß er jeden Sonnabend ſein Pfund
Fleiſch im Zoͤlibat kaufte — und — denn das be¬

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[233/0269] Weſte bordirte aͤchtes Gold; ſeinen Magen und ſeine Waden ſpann der Seidenwurm ein und ſeinen Ruͤcken das engliſche Schaaf. Es iſt ganz der menſchlichen Bosheit gemaͤß, das Verſchwendung zu nennen, was hier wahre verheimlichte Wohl¬ thaͤtigkeit war: denn alles was der unvollkomm¬ ne Karakter anhatte waren — Pfaͤnder; um die Leute vom Verpfaͤnden abzubringen, drohte er je¬ dem, jedes Pfand worauf er leihe, wuͤrd' er ſo lange anziehen als es bei ihm ſtaͤnde. Auf dieſe Art hielt er manchen ab und die Kleidung deſſen, bei dem menſchenfreundliche Warnung nichts ver¬ fing, legte er wirklich Sonntags nach dem Eſſen an. Es war daher weniger Mangel an Geſchmack als an Geiz und Haͤrte, daß er, ſo wie mehrere Perſonen, ſo auch mehrere Kleider vereinigte und ſo bunt aufſchritt wie eine Kleidermotte, wie eine Farben-Pyramide von Lambert, oder wie ein Far¬ ben-Klavier. Da ich ſo gewiß weiß, daß Verſchwendung ihn nicht verunzierte, ſo ſehr es den Anſchein hat; ſo will ich allen Anſchein durch die Nachricht wegnehmen, daß er jeden Sonnabend ſein Pfund Fleiſch im Zoͤlibat kaufte — und — denn das be¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/269>, abgerufen am 13.05.2024.