Natur und der Doktor sagte, er sei so theuer wie ein Apotheker. Daher wollt' er gar einer werden.
Er wurd' auch einer, aber nach dem Mecklen¬ burgischen Idiodikon: denn in diesem heißet jeder Materialladen eine Apotheke. Nämlich in Unter¬ scheerau änderte er die Religion und den Nah¬ rungszweig und bauete sich einen Laden, der bloß für Käufer Hechel und Mausefalle war. Hier hielt er sich einen Ladenjungen, ein Küchenmensch, ei¬ nen Friseur, einen Barbier und einen Vorleser des Morgenseegens -- alle diese Personen machten nur Eine Person aus, seine eigne, diese war und that wie ein Ensoph alles.
Da bei unserem Schelm als einem unvollkom¬ nen Karakter Tugenden in Fehler vererzt seyn müssen -- ich würd' ihn sonst keinem Roman-Bau¬ herrn antragen: -- so nehme man mirs nicht übel, daß ich auch seine weisse Seite neben seine schwar¬ ze bringe, wie man auf Böheimischen Tafeln im¬ mer weisse und schwarze Gerichte neben einander stellet.
Er gieng damals Sonntags aus seinem Laden bei aller erlaubter Sparsamkeit doch gut gekleidet heraus. Seinen Hut, seine Ringfinger und seine
Natur und der Doktor ſagte, er ſei ſo theuer wie ein Apotheker. Daher wollt' er gar einer werden.
Er wurd' auch einer, aber nach dem Mecklen¬ burgiſchen Idiodikon: denn in dieſem heißet jeder Materialladen eine Apotheke. Naͤmlich in Unter¬ ſcheerau aͤnderte er die Religion und den Nah¬ rungszweig und bauete ſich einen Laden, der bloß fuͤr Kaͤufer Hechel und Mauſefalle war. Hier hielt er ſich einen Ladenjungen, ein Kuͤchenmenſch, ei¬ nen Friſeur, einen Barbier und einen Vorleſer des Morgenſeegens — alle dieſe Perſonen machten nur Eine Perſon aus, ſeine eigne, dieſe war und that wie ein Enſoph alles.
Da bei unſerem Schelm als einem unvollkom¬ nen Karakter Tugenden in Fehler vererzt ſeyn muͤſſen — ich wuͤrd' ihn ſonſt keinem Roman-Bau¬ herrn antragen: — ſo nehme man mirs nicht uͤbel, daß ich auch ſeine weiſſe Seite neben ſeine ſchwar¬ ze bringe, wie man auf Boͤheimiſchen Tafeln im¬ mer weiſſe und ſchwarze Gerichte neben einander ſtellet.
Er gieng damals Sonntags aus ſeinem Laden bei aller erlaubter Sparſamkeit doch gut gekleidet heraus. Seinen Hut, ſeine Ringfinger und ſeine
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0268"n="232"/>
Natur und der Doktor ſagte, er ſei ſo theuer wie<lb/>
ein Apotheker. Daher wollt' er gar einer werden.</p><lb/><p>Er wurd' auch einer, aber nach dem Mecklen¬<lb/>
burgiſchen Idiodikon: denn in dieſem heißet jeder<lb/>
Materialladen eine Apotheke. Naͤmlich in Unter¬<lb/>ſcheerau aͤnderte er die Religion und den Nah¬<lb/>
rungszweig und bauete ſich einen Laden, der bloß<lb/>
fuͤr Kaͤufer Hechel und Mauſefalle war. Hier hielt<lb/>
er ſich einen Ladenjungen, ein Kuͤchenmenſch, ei¬<lb/>
nen Friſeur, einen Barbier und einen Vorleſer des<lb/>
Morgenſeegens — alle dieſe Perſonen machten nur<lb/>
Eine Perſon aus, ſeine eigne, dieſe war und<lb/>
that wie ein Enſoph alles.</p><lb/><p>Da bei unſerem Schelm als einem unvollkom¬<lb/>
nen Karakter Tugenden in Fehler vererzt ſeyn<lb/>
muͤſſen — ich wuͤrd' ihn ſonſt keinem Roman-Bau¬<lb/>
herrn antragen: —ſo nehme man mirs nicht uͤbel,<lb/>
daß ich auch ſeine weiſſe Seite neben ſeine ſchwar¬<lb/>
ze bringe, wie man auf Boͤheimiſchen Tafeln im¬<lb/>
mer weiſſe und ſchwarze Gerichte neben einander<lb/>ſtellet.</p><lb/><p>Er gieng damals Sonntags aus ſeinem Laden<lb/>
bei aller erlaubter Sparſamkeit doch gut gekleidet<lb/>
heraus. Seinen Hut, ſeine Ringfinger und ſeine<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[232/0268]
Natur und der Doktor ſagte, er ſei ſo theuer wie
ein Apotheker. Daher wollt' er gar einer werden.
Er wurd' auch einer, aber nach dem Mecklen¬
burgiſchen Idiodikon: denn in dieſem heißet jeder
Materialladen eine Apotheke. Naͤmlich in Unter¬
ſcheerau aͤnderte er die Religion und den Nah¬
rungszweig und bauete ſich einen Laden, der bloß
fuͤr Kaͤufer Hechel und Mauſefalle war. Hier hielt
er ſich einen Ladenjungen, ein Kuͤchenmenſch, ei¬
nen Friſeur, einen Barbier und einen Vorleſer des
Morgenſeegens — alle dieſe Perſonen machten nur
Eine Perſon aus, ſeine eigne, dieſe war und
that wie ein Enſoph alles.
Da bei unſerem Schelm als einem unvollkom¬
nen Karakter Tugenden in Fehler vererzt ſeyn
muͤſſen — ich wuͤrd' ihn ſonſt keinem Roman-Bau¬
herrn antragen: — ſo nehme man mirs nicht uͤbel,
daß ich auch ſeine weiſſe Seite neben ſeine ſchwar¬
ze bringe, wie man auf Boͤheimiſchen Tafeln im¬
mer weiſſe und ſchwarze Gerichte neben einander
ſtellet.
Er gieng damals Sonntags aus ſeinem Laden
bei aller erlaubter Sparſamkeit doch gut gekleidet
heraus. Seinen Hut, ſeine Ringfinger und ſeine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/268>, abgerufen am 28.04.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.