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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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und jezt im Lenz-Alter sahe sie sich neben dem
Klavier fragend nach Paulo um und überleuchtete
ihn mit dem blauen Himmel ihres weiten saphyr¬
nen Auges: der arme Teufel, eben der Paul,
würde sich nicht mehr kennen und dann sagen:
"ohn' ein schönes Auge geb' ich für alles andre
Schöne nicht einen Deut, geschweige mich; aber
über ein Himmels-Augenpaar vergess' ich alle be¬
nachbarte Reize und alle benachbarte Fehler und
den ganzen Bach und Benda wie er ist und
meine Mordanten und die falschen Quinten
und weit mehr." Leb wohl, Vergeßlicher!

D. Fenk.

Wir verstehen uns, herzlicher Freund; wer
selber einmal Satiren geschrieben hat, vergiebt
alle Satiren auf sich, zumal die boßhaftesten, bloß
die dummen nicht. Aber, obs der D. gleich im
Scherze verfochten hat, so muß ich doch solche Le¬
ser, die weit von Scheerau wohnen, ohne Rück¬
sicht auf mich benachrichtigen, daß der besagte
Legationsrath die unbedeutendste Haut ist, die wir
beide nur kennen, wie er denn bloß unter Wei¬
bern nicht, aber unter Männern allzeit verlegen

und jezt im Lenz-Alter ſahe ſie ſich neben dem
Klavier fragend nach Paulo um und uͤberleuchtete
ihn mit dem blauen Himmel ihres weiten ſaphyr¬
nen Auges: der arme Teufel, eben der Paul,
wuͤrde ſich nicht mehr kennen und dann ſagen:
„ohn' ein ſchoͤnes Auge geb' ich fuͤr alles andre
Schoͤne nicht einen Deut, geſchweige mich; aber
uͤber ein Himmels-Augenpaar vergeſſ' ich alle be¬
nachbarte Reize und alle benachbarte Fehler und
den ganzen Bach und Benda wie er iſt und
meine Mordanten und die falſchen Quinten
und weit mehr.“ Leb wohl, Vergeßlicher!

D. Fenk.

Wir verſtehen uns, herzlicher Freund; wer
ſelber einmal Satiren geſchrieben hat, vergiebt
alle Satiren auf ſich, zumal die boßhafteſten, bloß
die dummen nicht. Aber, obs der D. gleich im
Scherze verfochten hat, ſo muß ich doch ſolche Le¬
ſer, die weit von Scheerau wohnen, ohne Ruͤck¬
ſicht auf mich benachrichtigen, daß der beſagte
Legationsrath die unbedeutendſte Haut iſt, die wir
beide nur kennen, wie er denn bloß unter Wei¬
bern nicht, aber unter Maͤnnern allzeit verlegen

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[254/0290] und jezt im Lenz-Alter ſahe ſie ſich neben dem Klavier fragend nach Paulo um und uͤberleuchtete ihn mit dem blauen Himmel ihres weiten ſaphyr¬ nen Auges: der arme Teufel, eben der Paul, wuͤrde ſich nicht mehr kennen und dann ſagen: „ohn' ein ſchoͤnes Auge geb' ich fuͤr alles andre Schoͤne nicht einen Deut, geſchweige mich; aber uͤber ein Himmels-Augenpaar vergeſſ' ich alle be¬ nachbarte Reize und alle benachbarte Fehler und den ganzen Bach und Benda wie er iſt und meine Mordanten und die falſchen Quinten und weit mehr.“ Leb wohl, Vergeßlicher! D. Fenk. Wir verſtehen uns, herzlicher Freund; wer ſelber einmal Satiren geſchrieben hat, vergiebt alle Satiren auf ſich, zumal die boßhafteſten, bloß die dummen nicht. Aber, obs der D. gleich im Scherze verfochten hat, ſo muß ich doch ſolche Le¬ ſer, die weit von Scheerau wohnen, ohne Ruͤck¬ ſicht auf mich benachrichtigen, daß der beſagte Legationsrath die unbedeutendſte Haut iſt, die wir beide nur kennen, wie er denn bloß unter Wei¬ bern nicht, aber unter Maͤnnern allzeit verlegen

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/290>, abgerufen am 14.05.2024.