giebts nicht, aber ein Hundsleben." Fenk! nimm wenigstens was der Mensch wird oder thut: so gar gar wenig! Welche Kraft wird denn an uns ganz ausgebildet, oder in Harmonie mit den andern? Ist's nicht schon ein Glück, wenn nur Eine Kraft wie ein Ast ins Treibhaus eines Hör- oder andern Saals hineingezogen und mit partialer Wärme zu Blüthen genöthigt wird, indeß der ganze Baum draussen im Schnee mit schwarzen harten Zweigen steht? Der Himmel schneiet ein Paar Flocken zu unserem innern Schneemann zusammen, den wir unsre Bildung nennen, die Erde schmiltzt oder be¬ sudelt ein Viertel davon, der Wind wehet dem Schneemann den Kopf weg -- das ist unser gebil¬ deter innerer Mensch, so ein abscheuliches Flickwerk in allen unserem Wissen und Wollen! Vom Indi¬ viduum auf die ganze Menschheit mag ich gar nicht übergehen: ich mag nicht daran denken wie ein Jahrhundert untergeegget und untergeackert wird, zur Düngung des nächsten -- wie nichts sich zu et¬ was runden will, wie das ewige Bücherschreiben und Aufschlichten des Scibile kein Ziel, kein Ende hat und alle nach entgegengesetzten Richtungen gra¬ ben und laufen! -- Was thut der Mensch? Noch
giebts nicht, aber ein Hundsleben.“ Fenk! nimm wenigſtens was der Menſch wird oder thut: ſo gar gar wenig! Welche Kraft wird denn an uns ganz ausgebildet, oder in Harmonie mit den andern? Iſt's nicht ſchon ein Gluͤck, wenn nur Eine Kraft wie ein Aſt ins Treibhaus eines Hoͤr- oder andern Saals hineingezogen und mit partialer Waͤrme zu Bluͤthen genoͤthigt wird, indeß der ganze Baum drauſſen im Schnee mit ſchwarzen harten Zweigen ſteht? Der Himmel ſchneiet ein Paar Flocken zu unſerem innern Schneemann zuſammen, den wir unſre Bildung nennen, die Erde ſchmiltzt oder be¬ ſudelt ein Viertel davon, der Wind wehet dem Schneemann den Kopf weg — das iſt unſer gebil¬ deter innerer Menſch, ſo ein abſcheuliches Flickwerk in allen unſerem Wiſſen und Wollen! Vom Indi¬ viduum auf die ganze Menſchheit mag ich gar nicht uͤbergehen: ich mag nicht daran denken wie ein Jahrhundert untergeegget und untergeackert wird, zur Duͤngung des naͤchſten — wie nichts ſich zu et¬ was runden will, wie das ewige Buͤcherſchreiben und Aufſchlichten des Scibile kein Ziel, kein Ende hat und alle nach entgegengeſetzten Richtungen gra¬ ben und laufen! — Was thut der Menſch? Noch
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giebts nicht, aber ein Hundsleben.“ Fenk! nimm
wenigſtens was der Menſch wird oder thut: ſo gar
gar wenig! Welche Kraft wird denn an uns ganz
ausgebildet, oder in Harmonie mit den andern?
Iſt's nicht ſchon ein Gluͤck, wenn nur Eine Kraft
wie ein Aſt ins Treibhaus eines Hoͤr- oder andern
Saals hineingezogen und mit partialer Waͤrme zu
Bluͤthen genoͤthigt wird, indeß der ganze Baum
drauſſen im Schnee mit ſchwarzen harten Zweigen
ſteht? Der Himmel ſchneiet ein Paar Flocken zu
unſerem innern Schneemann zuſammen, den wir
unſre Bildung nennen, die Erde ſchmiltzt oder be¬
ſudelt ein Viertel davon, der Wind wehet dem
Schneemann den Kopf weg — das iſt unſer gebil¬
deter innerer Menſch, ſo ein abſcheuliches Flickwerk
in allen unſerem Wiſſen und Wollen! Vom Indi¬
viduum auf die ganze Menſchheit mag ich gar nicht
uͤbergehen: ich mag nicht daran denken wie ein
Jahrhundert untergeegget und untergeackert wird,
zur Duͤngung des naͤchſten — wie nichts ſich zu et¬
was runden will, wie das ewige Buͤcherſchreiben
und Aufſchlichten des Scibile kein Ziel, kein Ende
hat und alle nach entgegengeſetzten Richtungen gra¬
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/402>, abgerufen am 01.05.2024.
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