Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

teur, der für mich das ganze gekochte und gesotte¬
ne Mustheil meiner Grafschaft ans Feuer gese¬
tzet hatte, geradezu am Kutschenfußtritt an, ich
sollte anbeissen, und da ich ihn -- wir Großen se¬
tzen nicht ungern den Pöbel durch Verschmähen be¬
neideter Kost in ein hungriges Erstaunen -- mit
eignem Munde nur um eine Biersuppe ansprach:
machte da nicht der Restaurateur eine eitle Mine
und sagte: "im ganzen Hotel hätt' er keine; und
"hätt' er sie: so sollten ihm doch die künftigen Traiteurs
"nicht nachsagen, er habe unter so vielen jus und
"buillons seinem gnädigsten Herrn nichts präsen¬
"tirt als einen Napf Biersuppe."

Um das dritte Ding, um die Bewegung und
Ruhe zugleich, hätte mich bei einem Haare die
Ehrenpforte meines Begräbnißdorfes gebracht, mas¬
sen sie mich beinahe erschlug, weil sie und die mu¬
sicirende Gallerie auf ihr, hart hinter meinem letz¬
ten Bedienten einpurzelte und zur Freude der Graf¬
schaft keinem Menschen etwas zerbrachen als dem
Bader die Glas-Schröpfköpfe, die er der Ehren¬
pforte angesetzt und vorgestreckt hatte, damit doch
nur etwas daran hienge worein die nicht schlechte
Illumination zu stecken wäre. Ich wollte schon an

C 2

teur, der fuͤr mich das ganze gekochte und geſotte¬
ne Mustheil meiner Grafſchaft ans Feuer geſe¬
tzet hatte, geradezu am Kutſchenfußtritt an, ich
ſollte anbeiſſen, und da ich ihn — wir Großen ſe¬
tzen nicht ungern den Poͤbel durch Verſchmaͤhen be¬
neideter Koſt in ein hungriges Erſtaunen — mit
eignem Munde nur um eine Bierſuppe anſprach:
machte da nicht der Reſtaurateur eine eitle Mine
und ſagte: „im ganzen Hotel haͤtt' er keine; und
„haͤtt' er ſie: ſo ſollten ihm doch die kuͤnftigen Traiteurs
„nicht nachſagen, er habe unter ſo vielen jus und
buillons ſeinem gnaͤdigſten Herrn nichts praͤſen¬
„tirt als einen Napf Bierſuppe.“

Um das dritte Ding, um die Bewegung und
Ruhe zugleich, haͤtte mich bei einem Haare die
Ehrenpforte meines Begraͤbnißdorfes gebracht, maſ¬
ſen ſie mich beinahe erſchlug, weil ſie und die mu¬
ſicirende Gallerie auf ihr, hart hinter meinem letz¬
ten Bedienten einpurzelte und zur Freude der Graf¬
ſchaft keinem Menſchen etwas zerbrachen als dem
Bader die Glas-Schroͤpfkoͤpfe, die er der Ehren¬
pforte angeſetzt und vorgeſtreckt hatte, damit doch
nur etwas daran hienge worein die nicht ſchlechte
Illumination zu ſtecken waͤre. Ich wollte ſchon an

C 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0071" n="35"/>
teur, der fu&#x0364;r mich das ganze gekochte und ge&#x017F;otte¬<lb/>
ne <hi rendition="#g">Mustheil</hi> meiner Graf&#x017F;chaft ans Feuer ge&#x017F;<lb/>
tzet hatte, geradezu am Kut&#x017F;chenfußtritt an, ich<lb/>
&#x017F;ollte anbei&#x017F;&#x017F;en, und da ich ihn &#x2014; wir Großen &#x017F;<lb/>
tzen nicht ungern den Po&#x0364;bel durch Ver&#x017F;chma&#x0364;hen be¬<lb/>
neideter Ko&#x017F;t in ein hungriges Er&#x017F;taunen &#x2014; mit<lb/>
eignem Munde nur um eine Bier&#x017F;uppe an&#x017F;prach:<lb/>
machte da nicht der Re&#x017F;taurateur eine eitle Mine<lb/>
und &#x017F;agte: &#x201E;im ganzen Hotel ha&#x0364;tt' er keine; und<lb/>
&#x201E;ha&#x0364;tt' er &#x017F;ie: &#x017F;o &#x017F;ollten ihm doch die ku&#x0364;nftigen Traiteurs<lb/>
&#x201E;nicht nach&#x017F;agen, er habe unter &#x017F;o vielen <hi rendition="#aq">jus</hi> und<lb/>
&#x201E;<hi rendition="#aq">buillons</hi> &#x017F;einem gna&#x0364;dig&#x017F;ten Herrn nichts pra&#x0364;&#x017F;en¬<lb/>
&#x201E;tirt als einen Napf Bier&#x017F;uppe.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Um das dritte Ding, um die <hi rendition="#g">Bewegung</hi> und<lb/><hi rendition="#g">Ruhe</hi> zugleich, ha&#x0364;tte mich bei einem Haare die<lb/>
Ehrenpforte meines Begra&#x0364;bnißdorfes gebracht, ma&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en &#x017F;ie mich beinahe er&#x017F;chlug, weil &#x017F;ie und die mu¬<lb/>
&#x017F;icirende Gallerie auf ihr, hart hinter meinem letz¬<lb/>
ten Bedienten einpurzelte und zur Freude der Graf¬<lb/>
&#x017F;chaft keinem Men&#x017F;chen etwas zerbrachen als dem<lb/>
Bader die Glas-Schro&#x0364;pfko&#x0364;pfe, die er der Ehren¬<lb/>
pforte ange&#x017F;etzt und vorge&#x017F;treckt hatte, damit doch<lb/>
nur etwas daran hienge worein die nicht &#x017F;chlechte<lb/>
Illumination zu &#x017F;tecken wa&#x0364;re. Ich wollte &#x017F;chon an<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C 2<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0071] teur, der fuͤr mich das ganze gekochte und geſotte¬ ne Mustheil meiner Grafſchaft ans Feuer geſe¬ tzet hatte, geradezu am Kutſchenfußtritt an, ich ſollte anbeiſſen, und da ich ihn — wir Großen ſe¬ tzen nicht ungern den Poͤbel durch Verſchmaͤhen be¬ neideter Koſt in ein hungriges Erſtaunen — mit eignem Munde nur um eine Bierſuppe anſprach: machte da nicht der Reſtaurateur eine eitle Mine und ſagte: „im ganzen Hotel haͤtt' er keine; und „haͤtt' er ſie: ſo ſollten ihm doch die kuͤnftigen Traiteurs „nicht nachſagen, er habe unter ſo vielen jus und „buillons ſeinem gnaͤdigſten Herrn nichts praͤſen¬ „tirt als einen Napf Bierſuppe.“ Um das dritte Ding, um die Bewegung und Ruhe zugleich, haͤtte mich bei einem Haare die Ehrenpforte meines Begraͤbnißdorfes gebracht, maſ¬ ſen ſie mich beinahe erſchlug, weil ſie und die mu¬ ſicirende Gallerie auf ihr, hart hinter meinem letz¬ ten Bedienten einpurzelte und zur Freude der Graf¬ ſchaft keinem Menſchen etwas zerbrachen als dem Bader die Glas-Schroͤpfkoͤpfe, die er der Ehren¬ pforte angeſetzt und vorgeſtreckt hatte, damit doch nur etwas daran hienge worein die nicht ſchlechte Illumination zu ſtecken waͤre. Ich wollte ſchon an C 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/71
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/71>, abgerufen am 29.04.2024.