Unterirrdisches Pädagogium -- der Hernhuter und Pudel.
Jetzt geht erst meine Geschichte an; die Szene ist in Auenthal oder vielmehr auf dem Falkenbergischen Bergschlosse, das einige Ackerlängen davon lag. Das erste Kind der Schachamazone und des sterben¬ den Fechters im Schach war Gustav, der nicht der erhabne schwedische Held ist, sondern meiner. Sei gegrüßet, kleiner Schöner! auf dem Schau¬ platz dieses Lumpenpapiers und dieses Lumpenle¬ bens! Ich weiß dein ganzes Leben voraus, darum beweget mich die klagende Stimme deiner ersten Minute so sehr; ich sehe an allen Jahren deines Lebens Thränentropfen stehen, darum erbarmet mich dein Auge so sehr, das noch trocken ist, weil dich bloß dein Körper schmerzet -- ohne Lächeln kömmt der Mensch, ohne Lächeln geht er, drei fliegende Minuten lang war er froh. Ich habe daher mit gutem Vorbedacht, lieber Gustav, den frischen Mai deiner Jugend, von dem ich ein Land¬
DritterSektoroder Ausſchnitt.
Unterirrdiſches Pädagogium — der Hernhuter und Pudel.
Jetzt geht erſt meine Geſchichte an; die Szene iſt in Auenthal oder vielmehr auf dem Falkenbergiſchen Bergſchloſſe, das einige Ackerlaͤngen davon lag. Das erſte Kind der Schachamazone und des ſterben¬ den Fechters im Schach war Guſtav, der nicht der erhabne ſchwediſche Held iſt, ſondern meiner. Sei gegruͤßet, kleiner Schoͤner! auf dem Schau¬ platz dieſes Lumpenpapiers und dieſes Lumpenle¬ bens! Ich weiß dein ganzes Leben voraus, darum beweget mich die klagende Stimme deiner erſten Minute ſo ſehr; ich ſehe an allen Jahren deines Lebens Thraͤnentropfen ſtehen, darum erbarmet mich dein Auge ſo ſehr, das noch trocken iſt, weil dich bloß dein Koͤrper ſchmerzet — ohne Laͤcheln koͤmmt der Menſch, ohne Laͤcheln geht er, drei fliegende Minuten lang war er froh. Ich habe daher mit gutem Vorbedacht, lieber Guſtav, den friſchen Mai deiner Jugend, von dem ich ein Land¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0075"n="39"/></div><divn="2"><head><hirendition="#b">Dritter</hi><choice><sic><hirendition="#b">Sekror</hi></sic><corr><hirendition="#b">Sektor</hi></corr></choice><hirendition="#b">oder Ausſchnitt.</hi><lb/></head><argument><prendition="#c">Unterirrdiſches Pädagogium — der Hernhuter und<lb/>
Pudel.</p></argument><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p><hirendition="#in">J</hi>etzt geht erſt meine Geſchichte an; die Szene iſt<lb/>
in Auenthal oder vielmehr auf dem Falkenbergiſchen<lb/>
Bergſchloſſe, das einige Ackerlaͤngen davon lag.<lb/>
Das erſte Kind der Schachamazone und des ſterben¬<lb/>
den Fechters im Schach war <hirendition="#g">Guſtav</hi>, der nicht<lb/>
der erhabne ſchwediſche Held iſt, ſondern meiner.<lb/>
Sei gegruͤßet, kleiner Schoͤner! auf dem Schau¬<lb/>
platz dieſes Lumpenpapiers und dieſes Lumpenle¬<lb/>
bens! Ich weiß dein ganzes Leben voraus, darum<lb/>
beweget mich die klagende Stimme deiner erſten<lb/>
Minute ſo ſehr; ich ſehe an allen Jahren deines<lb/>
Lebens Thraͤnentropfen ſtehen, darum erbarmet<lb/>
mich dein Auge ſo ſehr, das noch trocken iſt, weil<lb/>
dich bloß dein Koͤrper ſchmerzet — ohne Laͤcheln<lb/>
koͤmmt der Menſch, ohne Laͤcheln geht er, drei<lb/>
fliegende Minuten lang war er froh. Ich habe<lb/>
daher mit gutem Vorbedacht, lieber Guſtav, den<lb/>
friſchen Mai deiner Jugend, von dem ich ein Land¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[39/0075]
Dritter Sektor oder Ausſchnitt.
Unterirrdiſches Pädagogium — der Hernhuter und
Pudel.
Jetzt geht erſt meine Geſchichte an; die Szene iſt
in Auenthal oder vielmehr auf dem Falkenbergiſchen
Bergſchloſſe, das einige Ackerlaͤngen davon lag.
Das erſte Kind der Schachamazone und des ſterben¬
den Fechters im Schach war Guſtav, der nicht
der erhabne ſchwediſche Held iſt, ſondern meiner.
Sei gegruͤßet, kleiner Schoͤner! auf dem Schau¬
platz dieſes Lumpenpapiers und dieſes Lumpenle¬
bens! Ich weiß dein ganzes Leben voraus, darum
beweget mich die klagende Stimme deiner erſten
Minute ſo ſehr; ich ſehe an allen Jahren deines
Lebens Thraͤnentropfen ſtehen, darum erbarmet
mich dein Auge ſo ſehr, das noch trocken iſt, weil
dich bloß dein Koͤrper ſchmerzet — ohne Laͤcheln
koͤmmt der Menſch, ohne Laͤcheln geht er, drei
fliegende Minuten lang war er froh. Ich habe
daher mit gutem Vorbedacht, lieber Guſtav, den
friſchen Mai deiner Jugend, von dem ich ein Land¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/75>, abgerufen am 15.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.