Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

mir Nachricht einzog, ob die Rittmeisterin von
Falkenberg, die mit ihrer Mitteltinten-Katze mei¬
nen ersten Sektor einnimmt und die bekanntlich
Gustavs Mutter ist, ob die -- sie wirklich sei . . . .
Inzwischen wird doch muthig fortgeschritten: denn
ich weiß auch, daß wenn ich meine biographische
Arche oder Eskurial ausgebauet und endlich auf
dem Dache mit der Baurede sitze, ich etwas in
die Bücherschränke geliefert habe, dergleichen die
Welt nicht oft habhaft wird und was freilich vor¬
übergehende Rezensenten reizen muß, zu sagen:
"Tag und Nacht, Sommer und Winter, auch
an Werkeltagen sollte ein solcher Mann schreiben:
wer kann aber wissen obs keine Dame ist."

Jetzt fället also auf allen nächsten Blättern der
Barometer von einem Grade zum andern, eh' der
gedrohte Sturmwind emporfährt. Wie Gustav die
abwesende Beata liebte, erräth nur der, der ge¬
fühlt hat, daß die Liebe nie zärtlicher, nie unei¬
gennütziger ist als während der Abwesenheit des Ge¬
genstandes. Täglich gieng er zum Grabe wie zum
heiligen Grabe, an den Geburtsort seines Glücks
mit einem wollüstigen Leben aller Fibern; täglich
that ers um eine halbe Stunde später, weil

mir Nachricht einzog, ob die Rittmeiſterin von
Falkenberg, die mit ihrer Mitteltinten-Katze mei¬
nen erſten Sektor einnimmt und die bekanntlich
Guſtavs Mutter iſt, ob die — ſie wirklich ſei . . . .
Inzwiſchen wird doch muthig fortgeſchritten: denn
ich weiß auch, daß wenn ich meine biographiſche
Arche oder Eskurial ausgebauet und endlich auf
dem Dache mit der Baurede ſitze, ich etwas in
die Buͤcherſchraͤnke geliefert habe, dergleichen die
Welt nicht oft habhaft wird und was freilich vor¬
uͤbergehende Rezenſenten reizen muß, zu ſagen:
„Tag und Nacht, Sommer und Winter, auch
an Werkeltagen ſollte ein ſolcher Mann ſchreiben:
wer kann aber wiſſen obs keine Dame iſt.“

Jetzt faͤllet alſo auf allen naͤchſten Blaͤttern der
Barometer von einem Grade zum andern, eh' der
gedrohte Sturmwind emporfaͤhrt. Wie Guſtav die
abweſende Beata liebte, erraͤth nur der, der ge¬
fuͤhlt hat, daß die Liebe nie zaͤrtlicher, nie unei¬
gennuͤtziger iſt als waͤhrend der Abweſenheit des Ge¬
genſtandes. Taͤglich gieng er zum Grabe wie zum
heiligen Grabe, an den Geburtsort ſeines Gluͤcks
mit einem wolluͤſtigen Leben aller Fibern; taͤglich
that ers um eine halbe Stunde ſpaͤter, weil

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0167" n="157"/>
mir Nachricht einzog, ob die Rittmei&#x017F;terin von<lb/>
Falkenberg, die mit <choice><sic>ihre</sic><corr>ihrer</corr></choice> Mitteltinten-Katze mei¬<lb/>
nen er&#x017F;ten Sektor einnimmt und die bekanntlich<lb/>
Gu&#x017F;tavs Mutter i&#x017F;t, ob die &#x2014; &#x017F;ie wirklich &#x017F;ei . . . .<lb/>
Inzwi&#x017F;chen wird doch muthig fortge&#x017F;chritten: denn<lb/>
ich weiß auch, daß wenn ich meine biographi&#x017F;che<lb/>
Arche oder Eskurial ausgebauet und endlich auf<lb/>
dem Dache mit der Baurede &#x017F;itze, ich etwas in<lb/>
die Bu&#x0364;cher&#x017F;chra&#x0364;nke geliefert habe, dergleichen die<lb/>
Welt nicht oft habhaft wird und was freilich vor¬<lb/>
u&#x0364;bergehende Rezen&#x017F;enten reizen muß, zu &#x017F;agen:<lb/>
&#x201E;Tag und Nacht, Sommer und Winter, auch<lb/>
an Werkeltagen &#x017F;ollte ein &#x017F;olcher <hi rendition="#g">Mann</hi> &#x017F;chreiben:<lb/>
wer kann aber wi&#x017F;&#x017F;en obs keine Dame i&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Jetzt fa&#x0364;llet al&#x017F;o auf allen na&#x0364;ch&#x017F;ten Bla&#x0364;ttern der<lb/>
Barometer von einem Grade zum andern, eh' der<lb/>
gedrohte Sturmwind emporfa&#x0364;hrt. Wie Gu&#x017F;tav die<lb/>
abwe&#x017F;ende Beata liebte, erra&#x0364;th nur der, der ge¬<lb/>
fu&#x0364;hlt hat, daß die Liebe nie za&#x0364;rtlicher, nie unei¬<lb/>
gennu&#x0364;tziger i&#x017F;t als wa&#x0364;hrend der Abwe&#x017F;enheit des Ge¬<lb/>
gen&#x017F;tandes. Ta&#x0364;glich gieng er zum Grabe wie zum<lb/>
heiligen Grabe, an den Geburtsort &#x017F;eines Glu&#x0364;cks<lb/>
mit einem wollu&#x0364;&#x017F;tigen Leben aller Fibern; ta&#x0364;glich<lb/>
that ers um eine halbe Stunde &#x017F;pa&#x0364;ter, weil<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0167] mir Nachricht einzog, ob die Rittmeiſterin von Falkenberg, die mit ihrer Mitteltinten-Katze mei¬ nen erſten Sektor einnimmt und die bekanntlich Guſtavs Mutter iſt, ob die — ſie wirklich ſei . . . . Inzwiſchen wird doch muthig fortgeſchritten: denn ich weiß auch, daß wenn ich meine biographiſche Arche oder Eskurial ausgebauet und endlich auf dem Dache mit der Baurede ſitze, ich etwas in die Buͤcherſchraͤnke geliefert habe, dergleichen die Welt nicht oft habhaft wird und was freilich vor¬ uͤbergehende Rezenſenten reizen muß, zu ſagen: „Tag und Nacht, Sommer und Winter, auch an Werkeltagen ſollte ein ſolcher Mann ſchreiben: wer kann aber wiſſen obs keine Dame iſt.“ Jetzt faͤllet alſo auf allen naͤchſten Blaͤttern der Barometer von einem Grade zum andern, eh' der gedrohte Sturmwind emporfaͤhrt. Wie Guſtav die abweſende Beata liebte, erraͤth nur der, der ge¬ fuͤhlt hat, daß die Liebe nie zaͤrtlicher, nie unei¬ gennuͤtziger iſt als waͤhrend der Abweſenheit des Ge¬ genſtandes. Taͤglich gieng er zum Grabe wie zum heiligen Grabe, an den Geburtsort ſeines Gluͤcks mit einem wolluͤſtigen Leben aller Fibern; taͤglich that ers um eine halbe Stunde ſpaͤter, weil

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/167
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/167>, abgerufen am 28.04.2024.