sie noch Beatens Jugend einwandte -- die gewöhn¬ lichste, einfältigste, unwirksamste und am meisten aufbringende Einwendung gegen eine lebendige Em¬ pfindung -- das begann den kleinen Eindruck ihrer Wochenpredigt zu schwächen, den die Nutzanwendung gar weglöschte: daß ihr Vater ihr schon den Gegen¬ stand ihrer Liebe halb und halb gewählt. . . Meine Gerichtsprinzipalin war recht gescheut; aber, mei¬ nem Gerichtsprinzipal zu Liebe, auch oft recht ein¬ fältig.
Beata brachte also dem Gustav ein durch dieses Mazerieren äußerst weiches und zärtliches Herz über den Steindamm mit -- und er kam auch mit einem solchen wunden an, um das kein Blättgen eines Kallus mehr hieng: Ottomars salomonische Predig¬ ten über und gegen das Leben hatten (wie die müt¬ terlichen) seine Puls- und Blutadern mit einer un¬ endlichen Sehnsucht gefüllet, die armen zerfallenden Menschen zu lieben und mit seinen zwei Armen, eh sie auf die Erde fielen, das schönste Herz an sich zu ziehen und zu pressen, eh' es unter die Erdschollen niedersänke. Die Liebe heftet ihre Schmarotzerpflan¬ zen-Wurzeln an alle andre Empfindungen.
ſie noch Beatens Jugend einwandte — die gewoͤhn¬ lichſte, einfaͤltigſte, unwirkſamſte und am meiſten aufbringende Einwendung gegen eine lebendige Em¬ pfindung — das begann den kleinen Eindruck ihrer Wochenpredigt zu ſchwaͤchen, den die Nutzanwendung gar wegloͤſchte: daß ihr Vater ihr ſchon den Gegen¬ ſtand ihrer Liebe halb und halb gewaͤhlt. . . Meine Gerichtsprinzipalin war recht geſcheut; aber, mei¬ nem Gerichtsprinzipal zu Liebe, auch oft recht ein¬ faͤltig.
Beata brachte alſo dem Guſtav ein durch dieſes Mazerieren aͤußerſt weiches und zaͤrtliches Herz uͤber den Steindamm mit — und er kam auch mit einem ſolchen wunden an, um das kein Blaͤttgen eines Kallus mehr hieng: Ottomars ſalomoniſche Predig¬ ten uͤber und gegen das Leben hatten (wie die muͤt¬ terlichen) ſeine Puls- und Blutadern mit einer un¬ endlichen Sehnſucht gefuͤllet, die armen zerfallenden Menſchen zu lieben und mit ſeinen zwei Armen, eh ſie auf die Erde fielen, das ſchoͤnſte Herz an ſich zu ziehen und zu preſſen, eh' es unter die Erdſchollen niederſaͤnke. Die Liebe heftet ihre Schmarotzerpflan¬ zen-Wurzeln an alle andre Empfindungen.
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ſie noch Beatens Jugend einwandte — die gewoͤhn¬
lichſte, einfaͤltigſte, unwirkſamſte und am meiſten
aufbringende Einwendung gegen eine lebendige Em¬
pfindung — das begann den kleinen Eindruck ihrer
Wochenpredigt zu ſchwaͤchen, den die Nutzanwendung
gar wegloͤſchte: daß ihr Vater ihr ſchon den Gegen¬
ſtand ihrer Liebe halb und halb gewaͤhlt. . . Meine
Gerichtsprinzipalin war recht geſcheut; aber, mei¬
nem Gerichtsprinzipal zu Liebe, auch oft recht ein¬
faͤltig.
Beata brachte alſo dem Guſtav ein durch dieſes
Mazerieren aͤußerſt weiches und zaͤrtliches Herz uͤber
den Steindamm mit — und er kam auch mit einem
ſolchen wunden an, um das kein Blaͤttgen eines
Kallus mehr hieng: Ottomars ſalomoniſche Predig¬
ten uͤber und gegen das Leben hatten (wie die muͤt¬
terlichen) ſeine Puls- und Blutadern mit einer un¬
endlichen Sehnſucht gefuͤllet, die armen zerfallenden
Menſchen zu lieben und mit ſeinen zwei Armen, eh
ſie auf die Erde fielen, das ſchoͤnſte Herz an ſich zu
ziehen und zu preſſen, eh' es unter die Erdſchollen
niederſaͤnke. Die Liebe heftet ihre Schmarotzerpflan¬
zen-Wurzeln an alle andre Empfindungen.
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/184>, abgerufen am 26.04.2024.
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