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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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bezifferte verständig seinen Generalbaß:
"über tausendmal wird die Schalkhafte das überle¬
sen" sagt' er zu sich.

Darauf überreichte er ihr bald nach ihrer An¬
kunft ihre Rolle mit weit mehr scheuer Ehrfurcht
als er selber wuste, zum Unglück für unsern guten
dramatisierenden Haasen fiel Beata in zwei Fehler
auf einmal aus einer Ursache. Die Ursache war
bloß, der Amor hatte in ihrem Herzen sein Labora¬
torium aufgerichtet und hatte seine chimischen Oe¬
fen und alles hineingesetzt: daraus muste ihr er¬
ster Fehler entstehen, daß sie schöner aussah als
sonst ohne diese Wärme (denn jede Empfindung
und jede innere Streitigkeit nahm auf ihrem Ge¬
sicht die Gestallt eines Reizes an;) von der Liebe
kam auch ihr zweiter Verstoß, daß sie sich gegen
Oefel heute weit zutraulicher und freimüthiger be¬
trug als sonst: denn ein liebendes Mädgen hat
von allen übrigen Gegenständen (d. h. von seinen
eignen Empfindungen für sie) nichts mehr zu be¬
fahren. H. v. Oefel aber addierte auf seiner Re¬
chenhaut ein ganz andres Facit heraus; er nahm
alles für Freude, daß er nun wieder -- zu haben
sei. Er gieng folglich mit einem Herzen fort, daß

bezifferte verſtaͤndig ſeinen Generalbaß:
„uͤber tauſendmal wird die Schalkhafte das uͤberle¬
ſen“ ſagt' er zu ſich.

Darauf uͤberreichte er ihr bald nach ihrer An¬
kunft ihre Rolle mit weit mehr ſcheuer Ehrfurcht
als er ſelber wuſte, zum Ungluͤck fuͤr unſern guten
dramatiſierenden Haaſen fiel Beata in zwei Fehler
auf einmal aus einer Urſache. Die Urſache war
bloß, der Amor hatte in ihrem Herzen ſein Labora¬
torium aufgerichtet und hatte ſeine chimiſchen Oe¬
fen und alles hineingeſetzt: daraus muſte ihr er¬
ſter Fehler entſtehen, daß ſie ſchoͤner ausſah als
ſonſt ohne dieſe Waͤrme (denn jede Empfindung
und jede innere Streitigkeit nahm auf ihrem Ge¬
ſicht die Geſtallt eines Reizes an;) von der Liebe
kam auch ihr zweiter Verſtoß, daß ſie ſich gegen
Oefel heute weit zutraulicher und freimuͤthiger be¬
trug als ſonſt: denn ein liebendes Maͤdgen hat
von allen uͤbrigen Gegenſtaͤnden (d. h. von ſeinen
eignen Empfindungen fuͤr ſie) nichts mehr zu be¬
fahren. H. v. Oefel aber addierte auf ſeiner Re¬
chenhaut ein ganz andres Facit heraus; er nahm
alles fuͤr Freude, daß er nun wieder — zu haben
ſei. Er gieng folglich mit einem Herzen fort, daß

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[184/0194] bezifferte verſtaͤndig ſeinen Generalbaß: „uͤber tauſendmal wird die Schalkhafte das uͤberle¬ ſen“ ſagt' er zu ſich. Darauf uͤberreichte er ihr bald nach ihrer An¬ kunft ihre Rolle mit weit mehr ſcheuer Ehrfurcht als er ſelber wuſte, zum Ungluͤck fuͤr unſern guten dramatiſierenden Haaſen fiel Beata in zwei Fehler auf einmal aus einer Urſache. Die Urſache war bloß, der Amor hatte in ihrem Herzen ſein Labora¬ torium aufgerichtet und hatte ſeine chimiſchen Oe¬ fen und alles hineingeſetzt: daraus muſte ihr er¬ ſter Fehler entſtehen, daß ſie ſchoͤner ausſah als ſonſt ohne dieſe Waͤrme (denn jede Empfindung und jede innere Streitigkeit nahm auf ihrem Ge¬ ſicht die Geſtallt eines Reizes an;) von der Liebe kam auch ihr zweiter Verſtoß, daß ſie ſich gegen Oefel heute weit zutraulicher und freimuͤthiger be¬ trug als ſonſt: denn ein liebendes Maͤdgen hat von allen uͤbrigen Gegenſtaͤnden (d. h. von ſeinen eignen Empfindungen fuͤr ſie) nichts mehr zu be¬ fahren. H. v. Oefel aber addierte auf ſeiner Re¬ chenhaut ein ganz andres Facit heraus; er nahm alles fuͤr Freude, daß er nun wieder — zu haben ſei. Er gieng folglich mit einem Herzen fort, daß

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/194>, abgerufen am 28.04.2024.