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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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Sprache kömmt und es zu groß wird für seine
Brust und seine Welt: so hauchet der große Ge¬
nius, den es denkt und liebt, die stillende Liebe
zu den Menschen in den stürmenden Busen und
der Unendliche läßet sich von uns sanft an den End¬
lichen lieben. . . .

Gustav empfand die Hand, die in seiner pul¬
sierte und nun zog -- er hielt sie leiser und sah
in das schönste Auge zurück -- seines bat Beaten
unendlich rührend um Vergebung der vergangnen
Tage und schien zu sagen: "o! nimm in dieser
seeligen Stunde auch meinen letzten Kummer
weg" -- und als er leise mit einem Tone, der so
viel wie eine gute That war, fragte "Beata?"
und als er nicht weiter sprechen konnte und als
sie das erröthende Angesicht zur Erde wandte und
aufhörte, ihre Hand aus seiner zu ziehen und
tief gerührt wieder aufsah und ihm die Thräne
zeigte, die zu ihm sagte "ich will dir vergeben:"
so wurden aus zwei Seelen die noch größer waren
als die Natur um sie, zwei Engel und sie fühl¬
ten den Himmel der Engel -- sie standen und
schwiegen in unendliche Dankbarkeit und Entzük¬

Sprache koͤmmt und es zu groß wird fuͤr ſeine
Bruſt und ſeine Welt: ſo hauchet der große Ge¬
nius, den es denkt und liebt, die ſtillende Liebe
zu den Menſchen in den ſtuͤrmenden Buſen und
der Unendliche laͤßet ſich von uns ſanft an den End¬
lichen lieben. . . .

Guſtav empfand die Hand, die in ſeiner pul¬
ſierte und nun zog — er hielt ſie leiſer und ſah
in das ſchoͤnſte Auge zuruͤck — ſeines bat Beaten
unendlich ruͤhrend um Vergebung der vergangnen
Tage und ſchien zu ſagen: „o! nimm in dieſer
ſeeligen Stunde auch meinen letzten Kummer
weg” — und als er leiſe mit einem Tone, der ſo
viel wie eine gute That war, fragte „Beata?”
und als er nicht weiter ſprechen konnte und als
ſie das erroͤthende Angeſicht zur Erde wandte und
aufhoͤrte, ihre Hand aus ſeiner zu ziehen und
tief geruͤhrt wieder aufſah und ihm die Thraͤne
zeigte, die zu ihm ſagte „ich will dir vergeben:”
ſo wurden aus zwei Seelen die noch groͤßer waren
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[315/0325] Sprache koͤmmt und es zu groß wird fuͤr ſeine Bruſt und ſeine Welt: ſo hauchet der große Ge¬ nius, den es denkt und liebt, die ſtillende Liebe zu den Menſchen in den ſtuͤrmenden Buſen und der Unendliche laͤßet ſich von uns ſanft an den End¬ lichen lieben. . . . Guſtav empfand die Hand, die in ſeiner pul¬ ſierte und nun zog — er hielt ſie leiſer und ſah in das ſchoͤnſte Auge zuruͤck — ſeines bat Beaten unendlich ruͤhrend um Vergebung der vergangnen Tage und ſchien zu ſagen: „o! nimm in dieſer ſeeligen Stunde auch meinen letzten Kummer weg” — und als er leiſe mit einem Tone, der ſo viel wie eine gute That war, fragte „Beata?” und als er nicht weiter ſprechen konnte und als ſie das erroͤthende Angeſicht zur Erde wandte und aufhoͤrte, ihre Hand aus ſeiner zu ziehen und tief geruͤhrt wieder aufſah und ihm die Thraͤne zeigte, die zu ihm ſagte „ich will dir vergeben:” ſo wurden aus zwei Seelen die noch groͤßer waren als die Natur um ſie, zwei Engel und ſie fuͤhl¬ ten den Himmel der Engel — ſie ſtanden und ſchwiegen in unendliche Dankbarkeit und Entzuͤk¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/325>, abgerufen am 13.05.2024.