Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

zweitens vor den in alle Weltgegenden aufgeschlos¬
senen Fenstern, die uns noch mehr in alle Stru¬
del der freudigen Natur hinein drehten als wären
wir draußen gewesen, und drittens jeder von uns
mit einer Hand, die die weiche Beere des Ver¬
gnügens abzunehmen weiß ohne sie entzwei zu drü¬
cken. -- Ottomar kömmt abends -- die zwei Mäd¬
gen haben sich unter Blumen und der glückliche
Gustav unter Schatten verlohren -- der Biograph
liegt hier wie der Jurist Bartolus auf dem heben¬
den Grase und schildert alles -- Fenk ordnet auf
abend an. -- Erst abends tritt der Vollmond un¬
serer heutigen Freude ein; und ich danke dem Him¬
mel, daß ich jezt mit meiner biographischen Feder
nachgekommen bin und niemals mehr weiß als ich
berichte: anstatt daß ich bisher mehr wuste und mir
den biographischen Genuß der freudigsten Scenen
durch die Kenntniß der traurigen Zukunft versalzte.
Jezt aber könnt' in der nächsten Viertelstunde uns
alle der Ozean ersäufen: in der jezigen lächelten
wir in ihn hinein.

Da ich jezt so ruhig bin und nicht spatzieren
gehen mag: so will ich über das Spatzierengehen,
das so oft in meinem Werke vorkömmt, nicht oh¬

zweitens vor den in alle Weltgegenden aufgeſchloſ¬
ſenen Fenſtern, die uns noch mehr in alle Stru¬
del der freudigen Natur hinein drehten als waͤren
wir draußen geweſen, und drittens jeder von uns
mit einer Hand, die die weiche Beere des Ver¬
gnuͤgens abzunehmen weiß ohne ſie entzwei zu druͤ¬
cken. — Ottomar koͤmmt abends — die zwei Maͤd¬
gen haben ſich unter Blumen und der gluͤckliche
Guſtav unter Schatten verlohren — der Biograph
liegt hier wie der Juriſt Bartolus auf dem heben¬
den Graſe und ſchildert alles — Fenk ordnet auf
abend an. — Erſt abends tritt der Vollmond un¬
ſerer heutigen Freude ein; und ich danke dem Him¬
mel, daß ich jezt mit meiner biographiſchen Feder
nachgekommen bin und niemals mehr weiß als ich
berichte: anſtatt daß ich bisher mehr wuſte und mir
den biographiſchen Genuß der freudigſten Scenen
durch die Kenntniß der traurigen Zukunft verſalzte.
Jezt aber koͤnnt' in der naͤchſten Viertelſtunde uns
alle der Ozean erſaͤufen: in der jezigen laͤchelten
wir in ihn hinein.

Da ich jezt ſo ruhig bin und nicht ſpatzieren
gehen mag: ſo will ich uͤber das Spatzierengehen,
das ſo oft in meinem Werke vorkoͤmmt, nicht oh¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0342" n="332"/>
zweitens vor den in alle Weltgegenden aufge&#x017F;chlo&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;enen Fen&#x017F;tern, die uns noch mehr in alle Stru¬<lb/>
del der freudigen Natur hinein drehten als wa&#x0364;ren<lb/>
wir draußen gewe&#x017F;en, und drittens jeder von uns<lb/>
mit einer Hand, die die weiche Beere des Ver¬<lb/>
gnu&#x0364;gens abzunehmen weiß ohne &#x017F;ie entzwei zu dru&#x0364;¬<lb/>
cken. &#x2014; Ottomar ko&#x0364;mmt abends &#x2014; die zwei Ma&#x0364;<lb/>
gen haben &#x017F;ich unter Blumen und der glu&#x0364;ckliche<lb/>
Gu&#x017F;tav unter Schatten verlohren &#x2014; der Biograph<lb/>
liegt hier wie der Juri&#x017F;t Bartolus auf dem heben¬<lb/>
den Gra&#x017F;e und &#x017F;childert alles &#x2014; Fenk ordnet auf<lb/>
abend an. &#x2014; Er&#x017F;t abends <hi rendition="#g">tritt</hi> der Vollmond un¬<lb/>
&#x017F;erer heutigen Freude ein; und ich danke dem Him¬<lb/>
mel, daß ich jezt mit meiner biographi&#x017F;chen Feder<lb/>
nachgekommen bin und niemals mehr weiß als ich<lb/>
berichte: an&#x017F;tatt daß ich bisher mehr wu&#x017F;te und mir<lb/>
den biographi&#x017F;chen Genuß der freudig&#x017F;ten Scenen<lb/>
durch die Kenntniß der traurigen Zukunft ver&#x017F;alzte.<lb/>
Jezt aber ko&#x0364;nnt' in der na&#x0364;ch&#x017F;ten Viertel&#x017F;tunde uns<lb/>
alle der Ozean er&#x017F;a&#x0364;ufen: in der jezigen la&#x0364;chelten<lb/>
wir in ihn hinein.</p><lb/>
          <p>Da ich jezt &#x017F;o ruhig bin und nicht &#x017F;patzieren<lb/>
gehen mag: &#x017F;o will ich u&#x0364;ber das Spatzierengehen,<lb/>
das &#x017F;o oft in meinem Werke vorko&#x0364;mmt, nicht oh¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[332/0342] zweitens vor den in alle Weltgegenden aufgeſchloſ¬ ſenen Fenſtern, die uns noch mehr in alle Stru¬ del der freudigen Natur hinein drehten als waͤren wir draußen geweſen, und drittens jeder von uns mit einer Hand, die die weiche Beere des Ver¬ gnuͤgens abzunehmen weiß ohne ſie entzwei zu druͤ¬ cken. — Ottomar koͤmmt abends — die zwei Maͤd¬ gen haben ſich unter Blumen und der gluͤckliche Guſtav unter Schatten verlohren — der Biograph liegt hier wie der Juriſt Bartolus auf dem heben¬ den Graſe und ſchildert alles — Fenk ordnet auf abend an. — Erſt abends tritt der Vollmond un¬ ſerer heutigen Freude ein; und ich danke dem Him¬ mel, daß ich jezt mit meiner biographiſchen Feder nachgekommen bin und niemals mehr weiß als ich berichte: anſtatt daß ich bisher mehr wuſte und mir den biographiſchen Genuß der freudigſten Scenen durch die Kenntniß der traurigen Zukunft verſalzte. Jezt aber koͤnnt' in der naͤchſten Viertelſtunde uns alle der Ozean erſaͤufen: in der jezigen laͤchelten wir in ihn hinein. Da ich jezt ſo ruhig bin und nicht ſpatzieren gehen mag: ſo will ich uͤber das Spatzierengehen, das ſo oft in meinem Werke vorkoͤmmt, nicht oh¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/342
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/342>, abgerufen am 13.05.2024.