Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

im Wege liegen; so wie sich über die Sonne,
wenn ein Brennspiegel sie herunter holen will,
nicht das dünnste Wölkchen schieben darf . . . Ich
bin jetzt im Enthusiasmus und versichere, ich kann
mir unmöglich etwas närrischeres denken als unser
Leben, unsere Erde, uns Menschen und unsre Be¬
merkung dieser Narrheit . . . .

Der indische Ozean war ein lärmender Markt¬
platz wie ein sinesischer Strom, überall bewegte
sich auf ihm Freude, Leben und Glanz, von sei¬
ner Oberfläche bis zu seinem Grunde, wo die zwei¬
te Halbkugel des Himmels mit ihrer Sonne zitter¬
te. Im Landhause waren die Wände weiß, weil
für einen (sagte Fenk) der aus der in lauter
Feuer und Lichtern stehenden Natur in eine en¬
ge Klause tritt, kein Kolorit dieser Klause hell ge¬
nug seyn könne, um einen traurigen beschränkten
Eindruck abzuwenden.

Alsdann ruhten wir aus, indem wir von ei¬
ner beschatteten Grasbank der Insel zur andern
giengen, von Birkenblättern und indischen Wel¬
len angefächelt -- dann musizierten -- dann di¬
nierten wir, erstlich am Tische eines Wirthes, der
auf eine lustige Art fein und delikat zu seyn weiß,

im Wege liegen; ſo wie ſich uͤber die Sonne,
wenn ein Brennſpiegel ſie herunter holen will,
nicht das duͤnnſte Woͤlkchen ſchieben darf . . . Ich
bin jetzt im Enthuſiaſmus und verſichere, ich kann
mir unmoͤglich etwas naͤrriſcheres denken als unſer
Leben, unſere Erde, uns Menſchen und unſre Be¬
merkung dieſer Narrheit . . . .

Der indiſche Ozean war ein laͤrmender Markt¬
platz wie ein ſineſiſcher Strom, uͤberall bewegte
ſich auf ihm Freude, Leben und Glanz, von ſei¬
ner Oberflaͤche bis zu ſeinem Grunde, wo die zwei¬
te Halbkugel des Himmels mit ihrer Sonne zitter¬
te. Im Landhauſe waren die Waͤnde weiß, weil
fuͤr einen (ſagte Fenk) der aus der in lauter
Feuer und Lichtern ſtehenden Natur in eine en¬
ge Klauſe tritt, kein Kolorit dieſer Klauſe hell ge¬
nug ſeyn koͤnne, um einen traurigen beſchraͤnkten
Eindruck abzuwenden.

Alsdann ruhten wir aus, indem wir von ei¬
ner beſchatteten Grasbank der Inſel zur andern
giengen, von Birkenblaͤttern und indiſchen Wel¬
len angefaͤchelt — dann muſizierten — dann di¬
nierten wir, erſtlich am Tiſche eines Wirthes, der
auf eine luſtige Art fein und delikat zu ſeyn weiß,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0341" n="331"/>
im Wege liegen; &#x017F;o wie &#x017F;ich u&#x0364;ber die Sonne,<lb/>
wenn ein Brenn&#x017F;piegel &#x017F;ie herunter holen will,<lb/>
nicht das du&#x0364;nn&#x017F;te Wo&#x0364;lkchen &#x017F;chieben darf . . . Ich<lb/>
bin jetzt im Enthu&#x017F;ia&#x017F;mus und ver&#x017F;ichere, ich kann<lb/>
mir unmo&#x0364;glich etwas na&#x0364;rri&#x017F;cheres denken als un&#x017F;er<lb/>
Leben, un&#x017F;ere Erde, uns Men&#x017F;chen und un&#x017F;re Be¬<lb/>
merkung die&#x017F;er Narrheit . . . .</p><lb/>
          <p>Der indi&#x017F;che Ozean war ein la&#x0364;rmender Markt¬<lb/>
platz wie ein &#x017F;ine&#x017F;i&#x017F;cher Strom, u&#x0364;berall bewegte<lb/>
&#x017F;ich auf ihm Freude, Leben und Glanz, von &#x017F;ei¬<lb/>
ner Oberfla&#x0364;che bis zu &#x017F;einem Grunde, wo die zwei¬<lb/>
te Halbkugel des Himmels mit ihrer Sonne zitter¬<lb/>
te. Im Landhau&#x017F;e waren die Wa&#x0364;nde weiß, weil<lb/>
fu&#x0364;r einen (&#x017F;agte Fenk) der aus der in lauter<lb/>
Feuer und Lichtern &#x017F;tehenden Natur in eine en¬<lb/>
ge Klau&#x017F;e tritt, kein Kolorit die&#x017F;er Klau&#x017F;e hell ge¬<lb/>
nug &#x017F;eyn ko&#x0364;nne, um einen traurigen be&#x017F;chra&#x0364;nkten<lb/>
Eindruck abzuwenden.</p><lb/>
          <p>Alsdann ruhten wir aus, indem wir von ei¬<lb/>
ner be&#x017F;chatteten Grasbank der In&#x017F;el zur andern<lb/>
giengen, von Birkenbla&#x0364;ttern und indi&#x017F;chen Wel¬<lb/>
len angefa&#x0364;chelt &#x2014; dann mu&#x017F;izierten &#x2014; dann di¬<lb/>
nierten wir, er&#x017F;tlich am Ti&#x017F;che eines Wirthes, der<lb/>
auf eine lu&#x017F;tige Art fein und delikat zu &#x017F;eyn weiß,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[331/0341] im Wege liegen; ſo wie ſich uͤber die Sonne, wenn ein Brennſpiegel ſie herunter holen will, nicht das duͤnnſte Woͤlkchen ſchieben darf . . . Ich bin jetzt im Enthuſiaſmus und verſichere, ich kann mir unmoͤglich etwas naͤrriſcheres denken als unſer Leben, unſere Erde, uns Menſchen und unſre Be¬ merkung dieſer Narrheit . . . . Der indiſche Ozean war ein laͤrmender Markt¬ platz wie ein ſineſiſcher Strom, uͤberall bewegte ſich auf ihm Freude, Leben und Glanz, von ſei¬ ner Oberflaͤche bis zu ſeinem Grunde, wo die zwei¬ te Halbkugel des Himmels mit ihrer Sonne zitter¬ te. Im Landhauſe waren die Waͤnde weiß, weil fuͤr einen (ſagte Fenk) der aus der in lauter Feuer und Lichtern ſtehenden Natur in eine en¬ ge Klauſe tritt, kein Kolorit dieſer Klauſe hell ge¬ nug ſeyn koͤnne, um einen traurigen beſchraͤnkten Eindruck abzuwenden. Alsdann ruhten wir aus, indem wir von ei¬ ner beſchatteten Grasbank der Inſel zur andern giengen, von Birkenblaͤttern und indiſchen Wel¬ len angefaͤchelt — dann muſizierten — dann di¬ nierten wir, erſtlich am Tiſche eines Wirthes, der auf eine luſtige Art fein und delikat zu ſeyn weiß,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/341
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/341>, abgerufen am 13.05.2024.