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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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zog so weit er konnte, den unschuldigen Jüng¬
ling in seine Volksfeste mit sogenannten Mu¬
sensöhnen, in seine immerwährende Weinlese
und auf seine Freuden-Werbplätze nach, gleich¬
sam als hab' er seinetwegen nöthig, den Freund
ein Wenig zu sich herabzubringen.

Albano bildete sich ein, mit diesen Dythi¬
ramben sey seine weinende Seele ganz einge¬
sungen und er wiegte sie nur noch ein wenig
fort. Indeß wurden, wiewohl ers nicht einge¬
stehen wollte, seine jungen Rosenwangen so
bleich wie eine Stirn und das Gesicht fiel wie
eine Taste unter der zersprungnen Saite ein.
Es war rührend und hart zugleich, wenn er
lachend unter seinen Freunden und deren Freun¬
den saß mit einem entfärbten Gesicht -- mit
höhern, schärfern Knochen der Augen und der
Nase -- mit einem wildern Auge, das aus ei¬
ner dunklern Knochentiefe loderte. Vor Musik,
zumal Roquairols seiner, worin das leiden¬
schaftliche Wogen und Werfen unsers Schiffs
mit dem tonkünstlerischen abgenützten Wechsel
des Dämpfers und Donners zu lebendig arbei¬
tete, entfloh sein Ohr und Herz wie vor einer

zog ſo weit er konnte, den unſchuldigen Jüng¬
ling in ſeine Volksfeſte mit ſogenannten Mu¬
ſenſöhnen, in ſeine immerwährende Weinleſe
und auf ſeine Freuden-Werbplätze nach, gleich¬
ſam als hab' er ſeinetwegen nöthig, den Freund
ein Wenig zu ſich herabzubringen.

Albano bildete ſich ein, mit dieſen Dythi¬
ramben ſey ſeine weinende Seele ganz einge¬
ſungen und er wiegte ſie nur noch ein wenig
fort. Indeß wurden, wiewohl ers nicht einge¬
ſtehen wollte, ſeine jungen Roſenwangen ſo
bleich wie eine Stirn und das Geſicht fiel wie
eine Taſte unter der zerſprungnen Saite ein.
Es war rührend und hart zugleich, wenn er
lachend unter ſeinen Freunden und deren Freun¬
den ſaß mit einem entfärbten Geſicht — mit
höhern, ſchärfern Knochen der Augen und der
Naſe — mit einem wildern Auge, das aus ei¬
ner dunklern Knochentiefe loderte. Vor Muſik,
zumal Roquairols ſeiner, worin das leiden¬
ſchaftliche Wogen und Werfen unſers Schiffs
mit dem tonkünſtleriſchen abgenützten Wechſel
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[254/0266] zog ſo weit er konnte, den unſchuldigen Jüng¬ ling in ſeine Volksfeſte mit ſogenannten Mu¬ ſenſöhnen, in ſeine immerwährende Weinleſe und auf ſeine Freuden-Werbplätze nach, gleich¬ ſam als hab' er ſeinetwegen nöthig, den Freund ein Wenig zu ſich herabzubringen. Albano bildete ſich ein, mit dieſen Dythi¬ ramben ſey ſeine weinende Seele ganz einge¬ ſungen und er wiegte ſie nur noch ein wenig fort. Indeß wurden, wiewohl ers nicht einge¬ ſtehen wollte, ſeine jungen Roſenwangen ſo bleich wie eine Stirn und das Geſicht fiel wie eine Taſte unter der zerſprungnen Saite ein. Es war rührend und hart zugleich, wenn er lachend unter ſeinen Freunden und deren Freun¬ den ſaß mit einem entfärbten Geſicht — mit höhern, ſchärfern Knochen der Augen und der Naſe — mit einem wildern Auge, das aus ei¬ ner dunklern Knochentiefe loderte. Vor Muſik, zumal Roquairols ſeiner, worin das leiden¬ ſchaftliche Wogen und Werfen unſers Schiffs mit dem tonkünſtleriſchen abgenützten Wechſel des Dämpfers und Donners zu lebendig arbei¬ tete, entfloh ſein Ohr und Herz wie vor einer

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/266>, abgerufen am 15.05.2024.