gleich diesen Abend Nichts verlohren hatte als -- Freuden.
Lasset uns die Betrogne und ihre Mit- Millionen mit einigen Worten vor einen mil¬ den Richter führen! -- Nicht Das allein wird dieser Richter wiegen, daß sie, vom Blüthenstau¬ be eines rauchenden Freuden-Frühlings betäubt, stumm-erstickt mit dem jungfräulichen Schleier, erlegen dem Sturm der Phantasie -- da Wei¬ ber um so leichter vor der fremden und poeti¬ schen fallen, je seltner ihre eigne weht und ih¬ nen das Feststehen angewöhnt -- den Lohn ei¬ nes ganzen jungfräulichen Lebens sterben ließ: sondern Das mildert am stärksten das Urtheil, daß sie Liebe im Herzen trug. Warum erkennt es denn das Männer-Geschlecht nicht, daß die Liebende in der Stunde der Liebe ja Nichts wei¬ ter thun will als Alles für den Geliebten, daß die Frau für die Liebe alle Kräfte, gegen sie so kleine hat und daß sie mit derselben Seele und in derselben Minute eben so leicht ihr Le¬ ben hingäbe als ihre Tugend? -- Und daß nur der fodernde und nehmende Theil schlecht sey, besonnen und selbstsüchtig?
gleich dieſen Abend Nichts verlohren hatte als — Freuden.
Laſſet uns die Betrogne und ihre Mit- Millionen mit einigen Worten vor einen mil¬ den Richter führen! — Nicht Das allein wird dieſer Richter wiegen, daß ſie, vom Blüthenſtau¬ be eines rauchenden Freuden-Frühlings betäubt, ſtumm-erſtickt mit dem jungfräulichen Schleier, erlegen dem Sturm der Phantaſie — da Wei¬ ber um ſo leichter vor der fremden und poeti¬ ſchen fallen, je ſeltner ihre eigne weht und ih¬ nen das Feſtſtehen angewöhnt — den Lohn ei¬ nes ganzen jungfräulichen Lebens ſterben ließ: ſondern Das mildert am ſtärkſten das Urtheil, daß ſie Liebe im Herzen trug. Warum erkennt es denn das Männer-Geſchlecht nicht, daß die Liebende in der Stunde der Liebe ja Nichts wei¬ ter thun will als Alles für den Geliebten, daß die Frau für die Liebe alle Kräfte, gegen ſie ſo kleine hat und daß ſie mit derſelben Seele und in derſelben Minute eben ſo leicht ihr Le¬ ben hingäbe als ihre Tugend? — Und daß nur der fodernde und nehmende Theil ſchlecht ſey, beſonnen und ſelbſtſüchtig?
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gleich dieſen Abend Nichts verlohren hatte als —
Freuden.
Laſſet uns die Betrogne und ihre Mit-
Millionen mit einigen Worten vor einen mil¬
den Richter führen! — Nicht Das allein wird
dieſer Richter wiegen, daß ſie, vom Blüthenſtau¬
be eines rauchenden Freuden-Frühlings betäubt,
ſtumm-erſtickt mit dem jungfräulichen Schleier,
erlegen dem Sturm der Phantaſie — da Wei¬
ber um ſo leichter vor der fremden und poeti¬
ſchen fallen, je ſeltner ihre eigne weht und ih¬
nen das Feſtſtehen angewöhnt — den Lohn ei¬
nes ganzen jungfräulichen Lebens ſterben ließ:
ſondern Das mildert am ſtärkſten das Urtheil,
daß ſie Liebe im Herzen trug. Warum erkennt
es denn das Männer-Geſchlecht nicht, daß die
Liebende in der Stunde der Liebe ja Nichts wei¬
ter thun will als Alles für den Geliebten, daß
die Frau für die Liebe alle Kräfte, gegen ſie
ſo kleine hat und daß ſie mit derſelben Seele
und in derſelben Minute eben ſo leicht ihr Le¬
ben hingäbe als ihre Tugend? — Und daß
nur der fodernde und nehmende Theil ſchlecht
ſey, beſonnen und ſelbſtſüchtig?
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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/288>, abgerufen am 16.05.2024.
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