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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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melte er noch leiser. Mühsam ließ sie ihr Haupt
auf die andere ihm nähere Lehne herüberfallen;
da schaueten ihre lebensmüden blauen Augen
recht nahe seine feurigen nassen an; wie fanden
beide ihr Angesicht von Einem langen Schmerz
entfärbt und veredelt! Rothwangig und voll¬
blühend und Schmerzen tragend war Liane
in das kalte fremde Todtenreich der schweren
Prüfung für die höhere Welt gegangen und
ohne Farbe und ohne Schmerzen war sie wie¬
dergekommen und mit himmlischer Schönheit
auf dem irrdisch-verblühten Gesicht -- Albano
stand vor ihr, auch bleich und edel, aber er
brachte auf dem jungen kranken, eingefallnen
Angesicht die Kämpfe und die Schmerzen zu¬
rück und im Auge die Lebens-Gluth.

"Gott, Du hast Dich verändert, Albano"
-- fieng sie nach einem langen Blicke an --
"Du siehst ganz eingefallen aus -- Bist Du so
"krank, Lieber?" -- fragte sie mit der alten
Liebes-Bekümmerniß, die ihr weder der from¬
me Vater noch der letzte Genius, der den Men¬
schen erkältet gegen das Leben und Lieben eh'
er es entrückt, aus dem Herzen nehmen konn¬

melte er noch leiſer. Mühſam ließ ſie ihr Haupt
auf die andere ihm nähere Lehne herüberfallen;
da ſchaueten ihre lebensmüden blauen Augen
recht nahe ſeine feurigen naſſen an; wie fanden
beide ihr Angeſicht von Einem langen Schmerz
entfärbt und veredelt! Rothwangig und voll¬
blühend und Schmerzen tragend war Liane
in das kalte fremde Todtenreich der ſchweren
Prüfung für die höhere Welt gegangen und
ohne Farbe und ohne Schmerzen war ſie wie¬
dergekommen und mit himmliſcher Schönheit
auf dem irrdiſch-verblühten Geſicht — Albano
ſtand vor ihr, auch bleich und edel, aber er
brachte auf dem jungen kranken, eingefallnen
Angeſicht die Kämpfe und die Schmerzen zu¬
rück und im Auge die Lebens-Gluth.

„Gott, Du haſt Dich verändert, Albano“
— fieng ſie nach einem langen Blicke an —
„Du ſiehſt ganz eingefallen aus — Biſt Du ſo
„krank, Lieber?“ — fragte ſie mit der alten
Liebes-Bekümmerniß, die ihr weder der from¬
me Vater noch der letzte Genius, der den Men¬
ſchen erkältet gegen das Leben und Lieben eh'
er es entrückt, aus dem Herzen nehmen konn¬

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[380/0392] melte er noch leiſer. Mühſam ließ ſie ihr Haupt auf die andere ihm nähere Lehne herüberfallen; da ſchaueten ihre lebensmüden blauen Augen recht nahe ſeine feurigen naſſen an; wie fanden beide ihr Angeſicht von Einem langen Schmerz entfärbt und veredelt! Rothwangig und voll¬ blühend und Schmerzen tragend war Liane in das kalte fremde Todtenreich der ſchweren Prüfung für die höhere Welt gegangen und ohne Farbe und ohne Schmerzen war ſie wie¬ dergekommen und mit himmliſcher Schönheit auf dem irrdiſch-verblühten Geſicht — Albano ſtand vor ihr, auch bleich und edel, aber er brachte auf dem jungen kranken, eingefallnen Angeſicht die Kämpfe und die Schmerzen zu¬ rück und im Auge die Lebens-Gluth. „Gott, Du haſt Dich verändert, Albano“ — fieng ſie nach einem langen Blicke an — „Du ſiehſt ganz eingefallen aus — Biſt Du ſo „krank, Lieber?“ — fragte ſie mit der alten Liebes-Bekümmerniß, die ihr weder der from¬ me Vater noch der letzte Genius, der den Men¬ ſchen erkältet gegen das Leben und Lieben eh' er es entrückt, aus dem Herzen nehmen konn¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/392>, abgerufen am 22.05.2024.