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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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wäre, soll er sich zur Erfüllung desselben heben
und kann es schwer.

Der Graf gierig am Morgen wie gewöhn¬
lich in seine Hörsäle und Sprachzimmer der
Stadt. In den erstern war es ihm schwer, nach
den Sternen der Wissenschaften seine Instru¬
mente und Augen festzurichten und zu visiren,
da er auf einem solchen Meere voll Bewegung
gieng. In den letztern fand er den Lektor käl¬
ter als sonst, den Bibliothekar wärmer, die
Hauswirthsleute aufgeblasener. Er gieng zu
Roquairol, den er heute noch inniger liebte
und behandelte, um gleichsam der beleidigten
Schwester genugzuthun. Karl sagte sogleich
mit seinem tragischen schnellen Aufreissen des
Vorhangs der Zukunft: "es sey Alles ent¬
"deckt -- -- höchst wahrscheinlich!" So oft Lie¬
bende sehen, daß die seefahrende Welt ihre Ka¬
lypso's Insel -- die doch frei auf der offnen
See daliegt -- endlich in die Augen bekommt
und die Seegel darauf richtet: so verwundern
sie sich zum Verwundern. Hat denn irgend
ein Paradies so weite und niedrige Staketen --

wäre, ſoll er ſich zur Erfüllung deſſelben heben
und kann es ſchwer.

Der Graf gierig am Morgen wie gewöhn¬
lich in ſeine Hörſäle und Sprachzimmer der
Stadt. In den erſtern war es ihm ſchwer, nach
den Sternen der Wiſſenſchaften ſeine Inſtru¬
mente und Augen feſtzurichten und zu viſiren,
da er auf einem ſolchen Meere voll Bewegung
gieng. In den letztern fand er den Lektor käl¬
ter als ſonſt, den Bibliothekar wärmer, die
Hauswirthsleute aufgeblaſener. Er gieng zu
Roquairol, den er heute noch inniger liebte
und behandelte, um gleichſam der beleidigten
Schweſter genugzuthun. Karl ſagte ſogleich
mit ſeinem tragiſchen ſchnellen Aufreiſſen des
Vorhangs der Zukunft: „es ſey Alles ent¬
„deckt — — höchſt wahrſcheinlich!“ So oft Lie¬
bende ſehen, daß die ſeefahrende Welt ihre Ka¬
lypſo's Inſel — die doch frei auf der offnen
See daliegt — endlich in die Augen bekommt
und die Seegel darauf richtet: ſo verwundern
ſie ſich zum Verwundern. Hat denn irgend
ein Paradies ſo weite und niedrige Staketen —

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[47/0059] wäre, ſoll er ſich zur Erfüllung deſſelben heben und kann es ſchwer. Der Graf gierig am Morgen wie gewöhn¬ lich in ſeine Hörſäle und Sprachzimmer der Stadt. In den erſtern war es ihm ſchwer, nach den Sternen der Wiſſenſchaften ſeine Inſtru¬ mente und Augen feſtzurichten und zu viſiren, da er auf einem ſolchen Meere voll Bewegung gieng. In den letztern fand er den Lektor käl¬ ter als ſonſt, den Bibliothekar wärmer, die Hauswirthsleute aufgeblaſener. Er gieng zu Roquairol, den er heute noch inniger liebte und behandelte, um gleichſam der beleidigten Schweſter genugzuthun. Karl ſagte ſogleich mit ſeinem tragiſchen ſchnellen Aufreiſſen des Vorhangs der Zukunft: „es ſey Alles ent¬ „deckt — — höchſt wahrſcheinlich!“ So oft Lie¬ bende ſehen, daß die ſeefahrende Welt ihre Ka¬ lypſo's Inſel — die doch frei auf der offnen See daliegt — endlich in die Augen bekommt und die Seegel darauf richtet: ſo verwundern ſie ſich zum Verwundern. Hat denn irgend ein Paradies ſo weite und niedrige Staketen —

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/59>, abgerufen am 29.04.2024.