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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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"auf mich, (versetzt' er,) denn nie war mein Va¬
"ter freundlicher gegen mich als seitdem er
"meine letzten Briefe erbrochen. Er ist diesen
"Nachmittag in Blumenbühl, und wol mehr
"meinet- als der Schwester wegen."

Albano fürchtete nicht, daß die Stadt Mi¬
nengänge unter sein Kindheitsland hintreiben
könne, um etwa durch Eine Flamme die glück¬
seelige Insel zu zersprengen -- durft' er nicht
seinem Werth und Muth und Lianens ihrem
trauen? -- aber es schmerzte ihn jetzt, daß er
so unnütz der kindlichen Liane die Freude und
das Verdienst einer kindlichen Offenherzigkeit
genommen. Wie sehnt' er sich nun nach dem
abbüßenden und belohnenden Augenblick des
ersten Wiedersehns, nach dem nächsten Mor¬
gen!

Er blieb bei seinem Freund wie bei einem
Troste, und gieng erst zurück, als die Abend¬
röthe in den Regenwolken umherfloß. -- Als
er kam, fand er von Lianen schon einen Brief
von heute:


O, guter Albano! warum kamst Du nicht?

Titan III. D

„auf mich, (verſetzt' er,) denn nie war mein Va¬
„ter freundlicher gegen mich als ſeitdem er
„meine letzten Briefe erbrochen. Er iſt dieſen
„Nachmittag in Blumenbühl, und wol mehr
„meinet- als der Schweſter wegen.“

Albano fürchtete nicht, daß die Stadt Mi¬
nengänge unter ſein Kindheitsland hintreiben
könne, um etwa durch Eine Flamme die glück¬
ſeelige Inſel zu zerſprengen — durft' er nicht
ſeinem Werth und Muth und Lianens ihrem
trauen? — aber es ſchmerzte ihn jetzt, daß er
ſo unnütz der kindlichen Liane die Freude und
das Verdienſt einer kindlichen Offenherzigkeit
genommen. Wie ſehnt' er ſich nun nach dem
abbüßenden und belohnenden Augenblick des
erſten Wiederſehns, nach dem nächſten Mor¬
gen!

Er blieb bei ſeinem Freund wie bei einem
Troſte, und gieng erſt zurück, als die Abend¬
röthe in den Regenwolken umherfloß. — Als
er kam, fand er von Lianen ſchon einen Brief
von heute:


O, guter Albano! warum kamſt Du nicht?

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[49/0061] „auf mich, (verſetzt' er,) denn nie war mein Va¬ „ter freundlicher gegen mich als ſeitdem er „meine letzten Briefe erbrochen. Er iſt dieſen „Nachmittag in Blumenbühl, und wol mehr „meinet- als der Schweſter wegen.“ Albano fürchtete nicht, daß die Stadt Mi¬ nengänge unter ſein Kindheitsland hintreiben könne, um etwa durch Eine Flamme die glück¬ ſeelige Inſel zu zerſprengen — durft' er nicht ſeinem Werth und Muth und Lianens ihrem trauen? — aber es ſchmerzte ihn jetzt, daß er ſo unnütz der kindlichen Liane die Freude und das Verdienſt einer kindlichen Offenherzigkeit genommen. Wie ſehnt' er ſich nun nach dem abbüßenden und belohnenden Augenblick des erſten Wiederſehns, nach dem nächſten Mor¬ gen! Er blieb bei ſeinem Freund wie bei einem Troſte, und gieng erſt zurück, als die Abend¬ röthe in den Regenwolken umherfloß. — Als er kam, fand er von Lianen ſchon einen Brief von heute: O, guter Albano! warum kamſt Du nicht? Titan III. D

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/61>, abgerufen am 29.04.2024.