Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

von der geliebten gedrückt würden, wenn sie
für sie harte Arbeit angreifen durften. Ver¬
wünschte sie nicht so oft ihre unberedte, stockende
Kehle, wenn Roquairol vor ihr seine feurigen
Ströme brausen ließ? -- Jetzt, da er wieder
die Nähe mit künstlichen, schattirenden Schei¬
dungen ausgeschmückt hatte, drang er freilich
darauf, daß Chariton die expedirende Sekre¬
tarin bliebe und Rabette nur unterzeichnete.
Auch Liane wollte aus gleicher Weiblichkeit et¬
was für ihren Liebling schaffen; aber da sie
als ein Mädchen von Stande nichts kochen
konnte, sondern nur etwas backen, so wurd'
ihr -- aber ungern von ihrem Freunde, der die
süße Gestalt nirgendswo gern sah als, wie an¬
dere Schmetterlinge, nur unter Blumen bei
ihm -- zugestanden, ganz spät und zehn Mi¬
nutenlang mit den Augen und in seltenen Fäl¬
len mit den drei Schreibfingern an den Schnee¬
bällen mitzuarbeiten, welche das Dessert be¬
schliessen sollten.

Einen breitern Baldachin, oder einen schö¬
ner geschnitzten Zepter und Apfel hatte noch
keine Küchen-Ballkönigin oder gar schönere

von der geliebten gedrückt würden, wenn ſie
für ſie harte Arbeit angreifen durften. Ver¬
wünſchte ſie nicht ſo oft ihre unberedte, ſtockende
Kehle, wenn Roquairol vor ihr ſeine feurigen
Ströme brauſen ließ? — Jetzt, da er wieder
die Nähe mit künſtlichen, ſchattirenden Schei¬
dungen ausgeſchmückt hatte, drang er freilich
darauf, daß Chariton die expedirende Sekre¬
tarin bliebe und Rabette nur unterzeichnete.
Auch Liane wollte aus gleicher Weiblichkeit et¬
was für ihren Liebling ſchaffen; aber da ſie
als ein Mädchen von Stande nichts kochen
konnte, ſondern nur etwas backen, ſo wurd'
ihr — aber ungern von ihrem Freunde, der die
ſüße Geſtalt nirgendswo gern ſah als, wie an¬
dere Schmetterlinge, nur unter Blumen bei
ihm — zugeſtanden, ganz ſpät und zehn Mi¬
nutenlang mit den Augen und in ſeltenen Fäl¬
len mit den drei Schreibfingern an den Schnee¬
bällen mitzuarbeiten, welche das Deſſert be¬
ſchlieſſen ſollten.

Einen breitern Baldachin, oder einen ſchö¬
ner geſchnitzten Zepter und Apfel hatte noch
keine Küchen-Ballkönigin oder gar ſchönere

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0073" n="61"/>
von der geliebten gedrückt würden, wenn &#x017F;ie<lb/>
für &#x017F;ie harte Arbeit angreifen durften. Ver¬<lb/>
wün&#x017F;chte &#x017F;ie nicht &#x017F;o oft ihre unberedte, &#x017F;tockende<lb/>
Kehle, wenn Roquairol vor ihr &#x017F;eine feurigen<lb/>
Ströme brau&#x017F;en ließ? &#x2014; Jetzt, da er wieder<lb/>
die Nähe mit kün&#x017F;tlichen, &#x017F;chattirenden Schei¬<lb/>
dungen ausge&#x017F;chmückt hatte, drang er freilich<lb/>
darauf, daß Chariton die expedirende Sekre¬<lb/>
tarin bliebe und Rabette nur unterzeichnete.<lb/>
Auch Liane wollte aus gleicher Weiblichkeit et¬<lb/>
was für ihren Liebling &#x017F;chaffen; aber da &#x017F;ie<lb/>
als ein Mädchen von Stande nichts kochen<lb/>
konnte, &#x017F;ondern nur etwas backen, &#x017F;o wurd'<lb/>
ihr &#x2014; aber ungern von ihrem Freunde, der die<lb/>
&#x017F;üße Ge&#x017F;talt nirgendswo gern &#x017F;ah als, wie an¬<lb/>
dere Schmetterlinge, nur unter Blumen bei<lb/>
ihm &#x2014; zuge&#x017F;tanden, ganz &#x017F;pät und zehn Mi¬<lb/>
nutenlang mit den Augen und in &#x017F;eltenen Fäl¬<lb/>
len mit den drei Schreibfingern an den Schnee¬<lb/>
bällen mitzuarbeiten, welche das De&#x017F;&#x017F;ert be¬<lb/>
&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollten.</p><lb/>
          <p>Einen breitern Baldachin, oder einen &#x017F;chö¬<lb/>
ner ge&#x017F;chnitzten Zepter und Apfel hatte noch<lb/>
keine Küchen-Ballkönigin oder gar &#x017F;chönere<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0073] von der geliebten gedrückt würden, wenn ſie für ſie harte Arbeit angreifen durften. Ver¬ wünſchte ſie nicht ſo oft ihre unberedte, ſtockende Kehle, wenn Roquairol vor ihr ſeine feurigen Ströme brauſen ließ? — Jetzt, da er wieder die Nähe mit künſtlichen, ſchattirenden Schei¬ dungen ausgeſchmückt hatte, drang er freilich darauf, daß Chariton die expedirende Sekre¬ tarin bliebe und Rabette nur unterzeichnete. Auch Liane wollte aus gleicher Weiblichkeit et¬ was für ihren Liebling ſchaffen; aber da ſie als ein Mädchen von Stande nichts kochen konnte, ſondern nur etwas backen, ſo wurd' ihr — aber ungern von ihrem Freunde, der die ſüße Geſtalt nirgendswo gern ſah als, wie an¬ dere Schmetterlinge, nur unter Blumen bei ihm — zugeſtanden, ganz ſpät und zehn Mi¬ nutenlang mit den Augen und in ſeltenen Fäl¬ len mit den drei Schreibfingern an den Schnee¬ bällen mitzuarbeiten, welche das Deſſert be¬ ſchlieſſen ſollten. Einen breitern Baldachin, oder einen ſchö¬ ner geſchnitzten Zepter und Apfel hatte noch keine Küchen-Ballkönigin oder gar ſchönere

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/73
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/73>, abgerufen am 29.04.2024.