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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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hinter den langen Gesträuchen Rabette. Sie
rührte beide in die tiefste Seele, weil die Arme
mit dem Arbeiten ihrer unbehülflichen Stimme
dem Geliebten das demüthige Opfer des Ge¬
horsams brachte. "O, mein Albano, (sagte Lia¬
ne sich entzückt an ihn schlingend,) welche Süs¬
sigkeit, daß mein Bruder glücklich ist und See¬
lenfrieden hat und durch Deine Schwester!" --
"Er verdient meinen, (sagt' er bewegt,) aber wir
wollen sie beide nicht stören, sondern den alten
Weg zurückgehen." Denn Rabettens Töne
wurden oft zerschnitten, aber es war ungewiß,
ob von Furcht -- oder von Küssen -- oder von
Rührung.

Als sie wieder durchs Morgenthor herein¬
traten: kam die Sängerin und Karl ihnen aus
der grünenden Pforte entgegen, beide verweint.
Karl, gewaltsam über lebendige Beete tretend
und mit irrenden Augen, griff nach beider
Hand mit seinen und sagte: "das ist doch ein¬
mal ein Tag auf der Regenwelt, der nicht wie
eine Nacht aussieht -- Bruder, aber wenn
man so innig seelig ist und Sphären vernimmt,
so sind's solche Töne, wie man einmal zum

hinter den langen Geſträuchen Rabette. Sie
rührte beide in die tiefſte Seele, weil die Arme
mit dem Arbeiten ihrer unbehülflichen Stimme
dem Geliebten das demüthige Opfer des Ge¬
horſams brachte. „O, mein Albano, (ſagte Lia¬
ne ſich entzückt an ihn ſchlingend,) welche Süs¬
ſigkeit, daß mein Bruder glücklich iſt und See¬
lenfrieden hat und durch Deine Schweſter!“ —
„Er verdient meinen, (ſagt' er bewegt,) aber wir
wollen ſie beide nicht ſtören, ſondern den alten
Weg zurückgehen.“ Denn Rabettens Töne
wurden oft zerſchnitten, aber es war ungewiß,
ob von Furcht — oder von Küſſen — oder von
Rührung.

Als ſie wieder durchs Morgenthor herein¬
traten: kam die Sängerin und Karl ihnen aus
der grünenden Pforte entgegen, beide verweint.
Karl, gewaltſam über lebendige Beete tretend
und mit irrenden Augen, griff nach beider
Hand mit ſeinen und ſagte: „das iſt doch ein¬
mal ein Tag auf der Regenwelt, der nicht wie
eine Nacht ausſieht — Bruder, aber wenn
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[70/0082] hinter den langen Geſträuchen Rabette. Sie rührte beide in die tiefſte Seele, weil die Arme mit dem Arbeiten ihrer unbehülflichen Stimme dem Geliebten das demüthige Opfer des Ge¬ horſams brachte. „O, mein Albano, (ſagte Lia¬ ne ſich entzückt an ihn ſchlingend,) welche Süs¬ ſigkeit, daß mein Bruder glücklich iſt und See¬ lenfrieden hat und durch Deine Schweſter!“ — „Er verdient meinen, (ſagt' er bewegt,) aber wir wollen ſie beide nicht ſtören, ſondern den alten Weg zurückgehen.“ Denn Rabettens Töne wurden oft zerſchnitten, aber es war ungewiß, ob von Furcht — oder von Küſſen — oder von Rührung. Als ſie wieder durchs Morgenthor herein¬ traten: kam die Sängerin und Karl ihnen aus der grünenden Pforte entgegen, beide verweint. Karl, gewaltſam über lebendige Beete tretend und mit irrenden Augen, griff nach beider Hand mit ſeinen und ſagte: „das iſt doch ein¬ mal ein Tag auf der Regenwelt, der nicht wie eine Nacht ausſieht — Bruder, aber wenn man ſo innig ſeelig iſt und Sphären vernimmt, ſo ſind's ſolche Töne, wie man einmal zum

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/82>, abgerufen am 29.04.2024.