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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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er die auf diese stille Gestalt getriebnen Leiden
ansah, daß diese weissen Schwingen der Un¬
schuld sich an seinen Klippen und Berghörnern
voll Blut geschlagen. Er zog sie wieder an
sich; eh' er sie und sein Heil entließ. Er sah
ihr nach, wie sie langsam an dem sonnigen
Berg, unter den Zweigen sich trocknend, hinun¬
terschlich und gesenkt lauter heitere, blühende
Wege des Vormittags gieng. Er schauete aber
nicht nach, da ihr Wagen über den fröhlichen
Wald wegrollte; er stand am Morgenfenster
und sah seine Kindheits-Berge zittern, weil er
seine Augen zu trocknen vergaß.


er die auf dieſe ſtille Geſtalt getriebnen Leiden
anſah, daß dieſe weiſſen Schwingen der Un¬
ſchuld ſich an ſeinen Klippen und Berghörnern
voll Blut geſchlagen. Er zog ſie wieder an
ſich; eh' er ſie und ſein Heil entließ. Er ſah
ihr nach, wie ſie langſam an dem ſonnigen
Berg, unter den Zweigen ſich trocknend, hinun¬
terſchlich und geſenkt lauter heitere, blühende
Wege des Vormittags gieng. Er ſchauete aber
nicht nach, da ihr Wagen über den fröhlichen
Wald wegrollte; er ſtand am Morgenfenſter
und ſah ſeine Kindheits-Berge zittern, weil er
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[82/0094] er die auf dieſe ſtille Geſtalt getriebnen Leiden anſah, daß dieſe weiſſen Schwingen der Un¬ ſchuld ſich an ſeinen Klippen und Berghörnern voll Blut geſchlagen. Er zog ſie wieder an ſich; eh' er ſie und ſein Heil entließ. Er ſah ihr nach, wie ſie langſam an dem ſonnigen Berg, unter den Zweigen ſich trocknend, hinun¬ terſchlich und geſenkt lauter heitere, blühende Wege des Vormittags gieng. Er ſchauete aber nicht nach, da ihr Wagen über den fröhlichen Wald wegrollte; er ſtand am Morgenfenſter und ſah ſeine Kindheits-Berge zittern, weil er ſeine Augen zu trocknen vergaß.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/94>, abgerufen am 29.04.2024.