Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

konnte, aber mit andern Augen als sonst: --
Er gehört nun einer deutschen Heimath an --
die Menschen um ihn sind seine Landesver¬
wandte -- die ahnenden Ideale, die er sich
einst bei der Krönung seines Bruders von den
warmen Strahlen entwarf, womit ein Fürst
als ein Gestirn Länder beleuchten und befruch¬
ten kann, waren jetzt in seine Hände zur Er¬
füllung gelegt -- sein frommer, von Landes-
Enkeln noch gesegneter Vater zeigte ihm die
reine Sonnenbahn seiner Fürsten-Pflicht --
nur Thaten geben dem Leben Stärke, nur
Maaß ihm Reiz -- Er dachte an die um ihn
her in Gräber gelegten eingesunknen Menschen,
zwar hart und unfruchtbar wie Felsen, aber
auch hoch wie Felsen, an die vom Schicksal
geopferten Menschen, welche die Milchstraße
der Unendlichkeit und den Regenbogen
der Phantasie zum Bogen ihrer Hand ge¬
brauchen wollten, ohne je eine Sehne darüber
ziehen zu können. -- "Warum gieng ich denn
nicht auch unter wie Jene, die ich achtete?
Wallete in mir nicht auch jener Schaum des
Übermaßes und überzog die Klarheit?"

konnte, aber mit andern Augen als ſonſt: —
Er gehört nun einer deutſchen Heimath an —
die Menſchen um ihn ſind ſeine Landesver¬
wandte — die ahnenden Ideale, die er ſich
einſt bei der Krönung ſeines Bruders von den
warmen Strahlen entwarf, womit ein Fürſt
als ein Geſtirn Länder beleuchten und befruch¬
ten kann, waren jetzt in ſeine Hände zur Er¬
füllung gelegt — ſein frommer, von Landes-
Enkeln noch geſegneter Vater zeigte ihm die
reine Sonnenbahn ſeiner Fürſten-Pflicht —
nur Thaten geben dem Leben Stärke, nur
Maaß ihm Reiz — Er dachte an die um ihn
her in Gräber gelegten eingeſunknen Menſchen,
zwar hart und unfruchtbar wie Felſen, aber
auch hoch wie Felſen, an die vom Schickſal
geopferten Menſchen, welche die Milchſtraße
der Unendlichkeit und den Regenbogen
der Phantaſie zum Bogen ihrer Hand ge¬
brauchen wollten, ohne je eine Sehne darüber
ziehen zu können. — „Warum gieng ich denn
nicht auch unter wie Jene, die ich achtete?
Wallete in mir nicht auch jener Schaum des
Übermaßes und überzog die Klarheit?“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0563" n="551"/>
konnte, aber mit andern Augen als &#x017F;on&#x017F;t: &#x2014;<lb/>
Er gehört nun einer deut&#x017F;chen Heimath an &#x2014;<lb/>
die Men&#x017F;chen um ihn &#x017F;ind &#x017F;eine Landesver¬<lb/>
wandte &#x2014; die ahnenden Ideale, die er &#x017F;ich<lb/>
ein&#x017F;t bei der Krönung &#x017F;eines Bruders von den<lb/>
warmen Strahlen entwarf, womit ein Für&#x017F;t<lb/>
als ein Ge&#x017F;tirn Länder beleuchten und befruch¬<lb/>
ten kann, waren jetzt in &#x017F;eine Hände zur Er¬<lb/>
füllung gelegt &#x2014; &#x017F;ein frommer, von Landes-<lb/>
Enkeln noch ge&#x017F;egneter Vater zeigte ihm die<lb/>
reine Sonnenbahn &#x017F;einer Für&#x017F;ten-Pflicht &#x2014;<lb/>
nur Thaten geben dem Leben Stärke, nur<lb/>
Maaß ihm Reiz &#x2014; Er dachte an die um ihn<lb/>
her in Gräber gelegten einge&#x017F;unknen Men&#x017F;chen,<lb/>
zwar hart und unfruchtbar wie Fel&#x017F;en, aber<lb/>
auch hoch wie Fel&#x017F;en, an die vom Schick&#x017F;al<lb/>
geopferten Men&#x017F;chen, welche die <hi rendition="#g">Milch&#x017F;traße</hi><lb/>
der <hi rendition="#g">Unendlichkeit</hi> und den <hi rendition="#g">Regenbogen</hi><lb/>
der <hi rendition="#g">Phanta&#x017F;ie</hi> zum Bogen ihrer Hand ge¬<lb/>
brauchen wollten, ohne je eine Sehne darüber<lb/>
ziehen zu können. &#x2014; &#x201E;Warum gieng ich denn<lb/>
nicht auch unter wie Jene, die ich achtete?<lb/>
Wallete in mir nicht auch jener Schaum des<lb/>
Übermaßes und überzog die Klarheit?&#x201C;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[551/0563] konnte, aber mit andern Augen als ſonſt: — Er gehört nun einer deutſchen Heimath an — die Menſchen um ihn ſind ſeine Landesver¬ wandte — die ahnenden Ideale, die er ſich einſt bei der Krönung ſeines Bruders von den warmen Strahlen entwarf, womit ein Fürſt als ein Geſtirn Länder beleuchten und befruch¬ ten kann, waren jetzt in ſeine Hände zur Er¬ füllung gelegt — ſein frommer, von Landes- Enkeln noch geſegneter Vater zeigte ihm die reine Sonnenbahn ſeiner Fürſten-Pflicht — nur Thaten geben dem Leben Stärke, nur Maaß ihm Reiz — Er dachte an die um ihn her in Gräber gelegten eingeſunknen Menſchen, zwar hart und unfruchtbar wie Felſen, aber auch hoch wie Felſen, an die vom Schickſal geopferten Menſchen, welche die Milchſtraße der Unendlichkeit und den Regenbogen der Phantaſie zum Bogen ihrer Hand ge¬ brauchen wollten, ohne je eine Sehne darüber ziehen zu können. — „Warum gieng ich denn nicht auch unter wie Jene, die ich achtete? Wallete in mir nicht auch jener Schaum des Übermaßes und überzog die Klarheit?“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/563
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/563>, abgerufen am 28.04.2024.