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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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"So wird uns denn manches zeitherige Herze¬
leid --" fieng Albine an. "O was Herze, was
Leid, (sagte Wehrfritz,) heute wird alles rich¬
tig und glatt." Aber Rabette verstand die
Mutter sehr wohl.

Alle begaben sich auf den Weg zum Trauer-
Tempel. Sie hörten aus der Kirche die Musik
des Liedes: "wie sie so sanft ruhn"; in eini¬
ger Ferne versuchten sich Waldhörner zu fro¬
hern Tönen. Rabette drückte Albano's Hand
und sagte sehr leise: "es ist gut mit mir ge¬
worden, weil ich alles erfahren habe." Sie hat¬
te dem unglücklichen Roquairol, seitdem er ein
vielfaches Glück und sich selber ermordet hatte,
ihre ganze Liebe ins Grab zum Verwesen nach¬
geworfen, ohne eine Thräne dazu zu thun.
Sie sprang auf Idoinens Güte über, auf ihre
Ähnlichkeit, "mit deren Erwähnung der Vater
den Engel heute roth gemacht" und auf ihr
schönes Trösten Juliennens, die vor Albano's
Ankunft unaufhörlich geweint. Albine lobte
mehr Juliennen wegen Ihrer Geschwister-Liebe.
Rabette schwieg über diese; beide waren schwe¬
sterliche Nebenbuhlerinnen; auch hatte Julienne

„So wird uns denn manches zeitherige Herze¬
leid —“ fieng Albine an. „O was Herze, was
Leid, (ſagte Wehrfritz,) heute wird alles rich¬
tig und glatt.“ Aber Rabette verſtand die
Mutter ſehr wohl.

Alle begaben ſich auf den Weg zum Trauer-
Tempel. Sie hörten aus der Kirche die Muſik
des Liedes: „wie ſie ſo ſanft ruhn“; in eini¬
ger Ferne verſuchten ſich Waldhörner zu fro¬
hern Tönen. Rabette drückte Albano's Hand
und ſagte ſehr leiſe: „es iſt gut mit mir ge¬
worden, weil ich alles erfahren habe.“ Sie hat¬
te dem unglücklichen Roquairol, ſeitdem er ein
vielfaches Glück und ſich ſelber ermordet hatte,
ihre ganze Liebe ins Grab zum Verweſen nach¬
geworfen, ohne eine Thräne dazu zu thun.
Sie ſprang auf Idoinens Güte über, auf ihre
Ähnlichkeit, „mit deren Erwähnung der Vater
den Engel heute roth gemacht“ und auf ihr
ſchönes Tröſten Juliennens, die vor Albano's
Ankunft unaufhörlich geweint. Albine lobte
mehr Juliennen wegen Ihrer Geſchwiſter-Liebe.
Rabette ſchwieg über dieſe; beide waren ſchwe¬
ſterliche Nebenbuhlerinnen; auch hatte Julienne

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[562/0574] „So wird uns denn manches zeitherige Herze¬ leid —“ fieng Albine an. „O was Herze, was Leid, (ſagte Wehrfritz,) heute wird alles rich¬ tig und glatt.“ Aber Rabette verſtand die Mutter ſehr wohl. Alle begaben ſich auf den Weg zum Trauer- Tempel. Sie hörten aus der Kirche die Muſik des Liedes: „wie ſie ſo ſanft ruhn“; in eini¬ ger Ferne verſuchten ſich Waldhörner zu fro¬ hern Tönen. Rabette drückte Albano's Hand und ſagte ſehr leiſe: „es iſt gut mit mir ge¬ worden, weil ich alles erfahren habe.“ Sie hat¬ te dem unglücklichen Roquairol, ſeitdem er ein vielfaches Glück und ſich ſelber ermordet hatte, ihre ganze Liebe ins Grab zum Verweſen nach¬ geworfen, ohne eine Thräne dazu zu thun. Sie ſprang auf Idoinens Güte über, auf ihre Ähnlichkeit, „mit deren Erwähnung der Vater den Engel heute roth gemacht“ und auf ihr ſchönes Tröſten Juliennens, die vor Albano's Ankunft unaufhörlich geweint. Albine lobte mehr Juliennen wegen Ihrer Geſchwiſter-Liebe. Rabette ſchwieg über dieſe; beide waren ſchwe¬ ſterliche Nebenbuhlerinnen; auch hatte Julienne

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 562. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/574>, abgerufen am 29.04.2024.