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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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wenn das Herz und die Nachtigall allein spre¬
chen: -- nur dann geht ihre heilige Zeit am
Himmel an, dann wird ihr hoher stiller Geist
gesehen und verstanden und am Tage nur ihr
Reiz"; dachte Albano.

"Wie manchmal, mein guter Albano, (sagte
die Schwester,) hast Du hier in Deinen verlas¬
senen Jugendjahren zu den Bergen nach den
Deinigen gesehen, nach Deinen verborgnen El¬
tern und Geschwistern; denn Du hattest immer
ein gutes Herz!" Hier blickte ihn Idoine un¬
bewußt mit unaussprechlicher Liebe an -- und
sein Auge ihres. -- "Idoine, (sagt' er und
ihre Seelen schaueten in einander wie in schnell
aufgehende Himmel und er nahm die Hand der
Jungfrau,) ich habe noch dieses Herz, es ist
unglücklich, aber unschuldig." -- Da verbarg
sich Idoine schnell und heftig an Juliennens
Brust und sagte kaum hörbar: "Julienne, wenn
mich Albano recht kennt, so sey meine Schwe¬
ster!" --

"Ich kenne Dich, heiliges Wesen" sagte
Albano und drückte Schwester und Braut an
Eine Brust. -- Und aus allen weinte nur Ein

wenn das Herz und die Nachtigall allein ſpre¬
chen: — nur dann geht ihre heilige Zeit am
Himmel an, dann wird ihr hoher ſtiller Geiſt
geſehen und verſtanden und am Tage nur ihr
Reiz“; dachte Albano.

„Wie manchmal, mein guter Albano, (ſagte
die Schweſter,) haſt Du hier in Deinen verlas¬
ſenen Jugendjahren zu den Bergen nach den
Deinigen geſehen, nach Deinen verborgnen El¬
tern und Geſchwiſtern; denn Du hatteſt immer
ein gutes Herz!“ Hier blickte ihn Idoine un¬
bewußt mit unausſprechlicher Liebe an — und
ſein Auge ihres. — „Idoine, (ſagt' er und
ihre Seelen ſchaueten in einander wie in ſchnell
aufgehende Himmel und er nahm die Hand der
Jungfrau,) ich habe noch dieſes Herz, es iſt
unglücklich, aber unſchuldig.“ — Da verbarg
ſich Idoine ſchnell und heftig an Juliennens
Bruſt und ſagte kaum hörbar: „Julienne, wenn
mich Albano recht kennt, ſo ſey meine Schwe¬
ſter!“ —

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[570/0582] wenn das Herz und die Nachtigall allein ſpre¬ chen: — nur dann geht ihre heilige Zeit am Himmel an, dann wird ihr hoher ſtiller Geiſt geſehen und verſtanden und am Tage nur ihr Reiz“; dachte Albano. „Wie manchmal, mein guter Albano, (ſagte die Schweſter,) haſt Du hier in Deinen verlas¬ ſenen Jugendjahren zu den Bergen nach den Deinigen geſehen, nach Deinen verborgnen El¬ tern und Geſchwiſtern; denn Du hatteſt immer ein gutes Herz!“ Hier blickte ihn Idoine un¬ bewußt mit unausſprechlicher Liebe an — und ſein Auge ihres. — „Idoine, (ſagt' er und ihre Seelen ſchaueten in einander wie in ſchnell aufgehende Himmel und er nahm die Hand der Jungfrau,) ich habe noch dieſes Herz, es iſt unglücklich, aber unſchuldig.“ — Da verbarg ſich Idoine ſchnell und heftig an Juliennens Bruſt und ſagte kaum hörbar: „Julienne, wenn mich Albano recht kennt, ſo ſey meine Schwe¬ ſter!“ — „Ich kenne Dich, heiliges Weſen“ ſagte Albano und drückte Schweſter und Braut an Eine Bruſt. — Und aus allen weinte nur Ein

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 570. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/582>, abgerufen am 28.04.2024.