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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

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zeigen; sie bringen aber Quacksalbereyen, Dumm-
heiten und Geschichten an, an denen hinten und
vornen nichts wahr ist. Und doch ist's weit und
breit eingerissen, daß ganze Stuben voll brafe
Bauern bey Stunden so einem Großmaul, das ih-
nen eine Lüge nach der andern aufbindet, zuhö-
ren können.

Aebi. Es ist bey meiner Seel so, wie der
Nachbar da sagt; und, Christen! er hat deinen
Vater durch und durch abgemahlt. Vollkommen so
hatten wir's mit ihm. Dumm war er in allem,
was Holz und Feld, Vieh und Futter, Dreschen
und Pflügen, und alles dergleichen antraf, wie ein
Ochs, und zu allem, was er angreifen sollte, träg
wie ein Hammel -- Aber im Wirthshaus und bey
den Kirchständen *), bey Lichtstubeten und auf den
Gemeindplätzen redte er, wie ein Weiser aus Mor-
genland -- bald vom Doctor Faust, bald vom Herrn
Christus, bald von der Hexe von Endor, oder deren
von Hirzau, und bald von den Stiergefechten in
Mastricht und dem Pferdrennen in Londen -- So
toll und dumm er alles machte, und so handgreif-
lich er Lügen aufband, so hörte man ihm den-
noch immer gern zu, bis er fast gehenkt wurde,

da
*) Die Plätze, wo die Bauern am Sonntag zwischen
den Predigten und des Abends, leider Gott er-
barm! vor langer Zeit, Mann und Weib, jung
und alt, zusammen stehn und schwatzen.

zeigen; ſie bringen aber Quackſalbereyen, Dumm-
heiten und Geſchichten an, an denen hinten und
vornen nichts wahr iſt. Und doch iſt’s weit und
breit eingeriſſen, daß ganze Stuben voll brafe
Bauern bey Stunden ſo einem Großmaul, das ih-
nen eine Luͤge nach der andern aufbindet, zuhoͤ-
ren koͤnnen.

Aebi. Es iſt bey meiner Seel ſo, wie der
Nachbar da ſagt; und, Chriſten! er hat deinen
Vater durch und durch abgemahlt. Vollkommen ſo
hatten wir’s mit ihm. Dumm war er in allem,
was Holz und Feld, Vieh und Futter, Dreſchen
und Pfluͤgen, und alles dergleichen antraf, wie ein
Ochs, und zu allem, was er angreifen ſollte, traͤg
wie ein Hammel — Aber im Wirthshaus und bey
den Kirchſtaͤnden *), bey Lichtſtubeten und auf den
Gemeindplaͤtzen redte er, wie ein Weiſer aus Mor-
genland — bald vom Doctor Fauſt, bald vom Herrn
Chriſtus, bald von der Hexe von Endor, oder deren
von Hirzau, und bald von den Stiergefechten in
Maſtricht und dem Pferdrennen in Londen — So
toll und dumm er alles machte, und ſo handgreif-
lich er Luͤgen aufband, ſo hoͤrte man ihm den-
noch immer gern zu, bis er faſt gehenkt wurde,

da
*) Die Plaͤtze, wo die Bauern am Sonntag zwiſchen
den Predigten und des Abends, leider Gott er-
barm! vor langer Zeit, Mann und Weib, jung
und alt, zuſammen ſtehn und ſchwatzen.
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[208/0233] zeigen; ſie bringen aber Quackſalbereyen, Dumm- heiten und Geſchichten an, an denen hinten und vornen nichts wahr iſt. Und doch iſt’s weit und breit eingeriſſen, daß ganze Stuben voll brafe Bauern bey Stunden ſo einem Großmaul, das ih- nen eine Luͤge nach der andern aufbindet, zuhoͤ- ren koͤnnen. Aebi. Es iſt bey meiner Seel ſo, wie der Nachbar da ſagt; und, Chriſten! er hat deinen Vater durch und durch abgemahlt. Vollkommen ſo hatten wir’s mit ihm. Dumm war er in allem, was Holz und Feld, Vieh und Futter, Dreſchen und Pfluͤgen, und alles dergleichen antraf, wie ein Ochs, und zu allem, was er angreifen ſollte, traͤg wie ein Hammel — Aber im Wirthshaus und bey den Kirchſtaͤnden *), bey Lichtſtubeten und auf den Gemeindplaͤtzen redte er, wie ein Weiſer aus Mor- genland — bald vom Doctor Fauſt, bald vom Herrn Chriſtus, bald von der Hexe von Endor, oder deren von Hirzau, und bald von den Stiergefechten in Maſtricht und dem Pferdrennen in Londen — So toll und dumm er alles machte, und ſo handgreif- lich er Luͤgen aufband, ſo hoͤrte man ihm den- noch immer gern zu, bis er faſt gehenkt wurde, da *) Die Plaͤtze, wo die Bauern am Sonntag zwiſchen den Predigten und des Abends, leider Gott er- barm! vor langer Zeit, Mann und Weib, jung und alt, zuſammen ſtehn und ſchwatzen.

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/233>, abgerufen am 01.05.2024.