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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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im Ersten Buch Mosis im 1 Cap. Im Schweiß
deines Angesichts sollst du dein Brod essen,
und mein Großvater, wenn er diesen Spruch
sagte, sezte allemal noch hinzu, wenn du nicht
ein Narr werden willst und ein Lump oben
drauf.

Davon wußte der Pfarrer Flieg in Him-
mel, weniger als nichts, er meynte wenn sei-
ne Kinder nur ordentlich still sässen und den
frommen Sachen von denen er alle Sonntag
und Donstag die Ohren voll zahlte, die Woche
durch fein ordentlich nachsinnten, und links
und rechts der Gründen Menge wüßten und
an den Fingern her zählen konnten, warum
er der Pfarrer Flieg in Himmel dieses oder
jenes für wahr halte, u. s. w. Dieser Pfarrer
hat eine Menge Kinder unglüklich gemacht,
und die Leuthe, die die schlechtesten im Dorf
sind, sind im eigentlichsten Verstand seine Zucht.

Es verblendete sich im Anfang jedermann
an ihm, und es tönte wie aus einem Mund
das Lob, er thüe einen Gotteslohn an den
Kindern, so eifrig sey er, und mache weiß nicht
was aus ihnen. Nur hier und da machte
etwann ein alter Mann oder eine alte Frau,
und etwann sonst ein Mensch, der nicht viel
in den Büchern las, die Anmerkung, seine
Kinder werden so geschwind müde, und haben
ihren Kopf und ihre Sinnen nicht auch so

im Erſten Buch Moſis im 1 Cap. Im Schweiß
deines Angeſichts ſollſt du dein Brod eſſen,
und mein Großvater, wenn er dieſen Spruch
ſagte, ſezte allemal noch hinzu, wenn du nicht
ein Narr werden willſt und ein Lump oben
drauf.

Davon wußte der Pfarrer Flieg in Him-
mel, weniger als nichts, er meynte wenn ſei-
ne Kinder nur ordentlich ſtill ſaͤſſen und den
frommen Sachen von denen er alle Sonntag
und Donſtag die Ohren voll zahlte, die Woche
durch fein ordentlich nachſinnten, und links
und rechts der Gruͤnden Menge wuͤßten und
an den Fingern her zaͤhlen konnten, warum
er der Pfarrer Flieg in Himmel dieſes oder
jenes fuͤr wahr halte, u. ſ. w. Dieſer Pfarrer
hat eine Menge Kinder ungluͤklich gemacht,
und die Leuthe, die die ſchlechteſten im Dorf
ſind, ſind im eigentlichſten Verſtand ſeine Zucht.

Es verblendete ſich im Anfang jedermann
an ihm, und es toͤnte wie aus einem Mund
das Lob, er thuͤe einen Gotteslohn an den
Kindern, ſo eifrig ſey er, und mache weiß nicht
was aus ihnen. Nur hier und da machte
etwann ein alter Mann oder eine alte Frau,
und etwann ſonſt ein Menſch, der nicht viel
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Kinder werden ſo geſchwind muͤde, und haben
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[126/0148] im Erſten Buch Moſis im 1 Cap. Im Schweiß deines Angeſichts ſollſt du dein Brod eſſen, und mein Großvater, wenn er dieſen Spruch ſagte, ſezte allemal noch hinzu, wenn du nicht ein Narr werden willſt und ein Lump oben drauf. Davon wußte der Pfarrer Flieg in Him- mel, weniger als nichts, er meynte wenn ſei- ne Kinder nur ordentlich ſtill ſaͤſſen und den frommen Sachen von denen er alle Sonntag und Donſtag die Ohren voll zahlte, die Woche durch fein ordentlich nachſinnten, und links und rechts der Gruͤnden Menge wuͤßten und an den Fingern her zaͤhlen konnten, warum er der Pfarrer Flieg in Himmel dieſes oder jenes fuͤr wahr halte, u. ſ. w. Dieſer Pfarrer hat eine Menge Kinder ungluͤklich gemacht, und die Leuthe, die die ſchlechteſten im Dorf ſind, ſind im eigentlichſten Verſtand ſeine Zucht. Es verblendete ſich im Anfang jedermann an ihm, und es toͤnte wie aus einem Mund das Lob, er thuͤe einen Gotteslohn an den Kindern, ſo eifrig ſey er, und mache weiß nicht was aus ihnen. Nur hier und da machte etwann ein alter Mann oder eine alte Frau, und etwann ſonſt ein Menſch, der nicht viel in den Buͤchern las, die Anmerkung, ſeine Kinder werden ſo geſchwind muͤde, und haben ihren Kopf und ihre Sinnen nicht auch ſo

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/148>, abgerufen am 24.04.2024.