Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

Er ließ nach der Regel des göldenen A B C:

"Wenn jemand mit dir zanken will, so sollt
"du dazu schweigen still," -- das alles gel-
ten, und fragte dagegen was sie ihm zu Mit-
tag habe?

Wenn du nur zu fressen hast, so kann deinet-
wegen die Welt unter ob sich gehen, sagte das
Weib, stellte ihm aber doch etwas dar. --

Und er aß und schenkte sich ein, und sein
Weib, das ihn so in eine gute Haut hineines-
sen sah, sagte zu sich selber: er ist nicht auch
wie ein andrer Mensch, man mag zu ihm sa-
gen, was man will, es macht ihm nichts.

Einen Augenblik darauf sagte sie, er ist so
gewesen, so lang ich ihn habe, aber das Beste
ist, er thut doch zulezt was man will; --
und denn zu ihm, -- du Narr! Aber kannst
du mir nicht bald einmal sagen, ob du dann
meynest daß sie ihn nehme? und wie es auch
zugegangen?

Vogt. Ja, ich weiß nicht, ob sie ihn nimmt,
aber ich glaubs doch nicht.

Vögtin. Aber warum glaubst du es nicht?

Vogt. Es hat mich einmal gestern so be-
dunkt, da ich bey ihr gewesen, und mit ihr ge-
redet habe.

Vögtin. Was hat sie dann gesagt, daß du
das meynst?

Vogt. Nichts anders, -- aber ich habe

Er ließ nach der Regel des goͤldenen A B C:

„Wenn jemand mit dir zanken will, ſo ſollt
„du dazu ſchweigen ſtill,“ — das alles gel-
ten, und fragte dagegen was ſie ihm zu Mit-
tag habe?

Wenn du nur zu freſſen haſt, ſo kann deinet-
wegen die Welt unter ob ſich gehen, ſagte das
Weib, ſtellte ihm aber doch etwas dar. —

Und er aß und ſchenkte ſich ein, und ſein
Weib, das ihn ſo in eine gute Haut hineineſ-
ſen ſah, ſagte zu ſich ſelber: er iſt nicht auch
wie ein andrer Menſch, man mag zu ihm ſa-
gen, was man will, es macht ihm nichts.

Einen Augenblik darauf ſagte ſie, er iſt ſo
geweſen, ſo lang ich ihn habe, aber das Beſte
iſt, er thut doch zulezt was man will; —
und denn zu ihm, — du Narr! Aber kannſt
du mir nicht bald einmal ſagen, ob du dann
meyneſt daß ſie ihn nehme? und wie es auch
zugegangen?

Vogt. Ja, ich weiß nicht, ob ſie ihn nimmt,
aber ich glaubs doch nicht.

Voͤgtin. Aber warum glaubſt du es nicht?

Vogt. Es hat mich einmal geſtern ſo be-
dunkt, da ich bey ihr geweſen, und mit ihr ge-
redet habe.

Voͤgtin. Was hat ſie dann geſagt, daß du
das meynſt?

Vogt. Nichts anders, — aber ich habe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0222" n="200"/>
        <p>Er ließ nach der Regel des go&#x0364;ldenen A B C:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wenn jemand mit dir zanken will, &#x017F;o &#x017F;ollt<lb/>
&#x201E;du dazu &#x017F;chweigen &#x017F;till,&#x201C; &#x2014; das alles gel-<lb/>
ten, und fragte dagegen was &#x017F;ie ihm zu Mit-<lb/>
tag habe?</p><lb/>
        <p>Wenn du nur zu fre&#x017F;&#x017F;en ha&#x017F;t, &#x017F;o kann deinet-<lb/>
wegen die Welt unter ob &#x017F;ich gehen, &#x017F;agte das<lb/>
Weib, &#x017F;tellte ihm aber doch etwas dar. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Und er aß und &#x017F;chenkte &#x017F;ich ein, und &#x017F;ein<lb/>
Weib, das ihn &#x017F;o in eine gute Haut hineine&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en &#x017F;ah, &#x017F;agte zu &#x017F;ich &#x017F;elber: er i&#x017F;t nicht auch<lb/>
wie ein andrer Men&#x017F;ch, man mag zu ihm &#x017F;a-<lb/>
gen, was man will, es macht ihm nichts.</p><lb/>
        <p>Einen Augenblik darauf &#x017F;agte &#x017F;ie, er i&#x017F;t &#x017F;o<lb/>
gewe&#x017F;en, &#x017F;o lang ich ihn habe, aber das Be&#x017F;te<lb/>
i&#x017F;t, er thut doch zulezt was man will; &#x2014;<lb/>
und denn zu ihm, &#x2014; du Narr! Aber kann&#x017F;t<lb/>
du mir nicht bald einmal &#x017F;agen, ob du dann<lb/>
meyne&#x017F;t daß &#x017F;ie ihn nehme? und wie es auch<lb/>
zugegangen?</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Vogt</hi>. Ja, ich weiß nicht, ob &#x017F;ie ihn nimmt,<lb/>
aber ich glaubs doch nicht.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Vo&#x0364;gtin</hi>. Aber warum glaub&#x017F;t du es nicht?</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Vogt</hi>. Es hat mich einmal ge&#x017F;tern &#x017F;o be-<lb/>
dunkt, da ich bey ihr gewe&#x017F;en, und mit ihr ge-<lb/>
redet habe.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Vo&#x0364;gtin</hi>. Was hat &#x017F;ie dann ge&#x017F;agt, daß du<lb/>
das meyn&#x017F;t?</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Vogt</hi>. Nichts anders, &#x2014; aber ich habe<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[200/0222] Er ließ nach der Regel des goͤldenen A B C: „Wenn jemand mit dir zanken will, ſo ſollt „du dazu ſchweigen ſtill,“ — das alles gel- ten, und fragte dagegen was ſie ihm zu Mit- tag habe? Wenn du nur zu freſſen haſt, ſo kann deinet- wegen die Welt unter ob ſich gehen, ſagte das Weib, ſtellte ihm aber doch etwas dar. — Und er aß und ſchenkte ſich ein, und ſein Weib, das ihn ſo in eine gute Haut hineineſ- ſen ſah, ſagte zu ſich ſelber: er iſt nicht auch wie ein andrer Menſch, man mag zu ihm ſa- gen, was man will, es macht ihm nichts. Einen Augenblik darauf ſagte ſie, er iſt ſo geweſen, ſo lang ich ihn habe, aber das Beſte iſt, er thut doch zulezt was man will; — und denn zu ihm, — du Narr! Aber kannſt du mir nicht bald einmal ſagen, ob du dann meyneſt daß ſie ihn nehme? und wie es auch zugegangen? Vogt. Ja, ich weiß nicht, ob ſie ihn nimmt, aber ich glaubs doch nicht. Voͤgtin. Aber warum glaubſt du es nicht? Vogt. Es hat mich einmal geſtern ſo be- dunkt, da ich bey ihr geweſen, und mit ihr ge- redet habe. Voͤgtin. Was hat ſie dann geſagt, daß du das meynſt? Vogt. Nichts anders, — aber ich habe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/222
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/222>, abgerufen am 18.04.2024.