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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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ihm, aber er muß nicht unartig seyn und fol-
gen, wie ihr.

Als er wieder kam, schlich er dem Papa
hinten zu an Rüken, faßte ihn mit beyden Hän-
den um den Hals, legte ihm den Kopf über
seine Schulter an die Augen, und sagte ihm
denn, gäll Papa! du verzeihest mir auch?

Ist es lustig, so von der Milchsuppe weg
den Löffel zu waschen? fragte ihn Arner.

Nicht so gar, aber verzeih mir es auch,
sagte der Bub.

Und der Vater: siz jezt nur wieder zu deiner
Suppe und besinn dich ein andermal was du
machest! --

Die Kinder hatten ihr Lebtag keine so gute
Suppe und kein so lindes Brod geessen. Sie
war halb Nidel und voll Eyer, das Brod da-
rinn vergieng wie Anken im Maul. Und
die Kinder sagten unter einander, ob das Brod
doch jezt auch von dem gleichen Kernen sey,
der bey ihnen wachse?

Was denket ihr auch? sagte ihnen der Carl;
es ist nur reiner gemahlet, und mehr Krüsch
davon weggethan, -- aber dann auch sagte
er ihnen, er wollte die Suppe lieber, als was
man ihm sonst in der Welt aufstellte, so gut
sey sie. --



ihm, aber er muß nicht unartig ſeyn und fol-
gen, wie ihr.

Als er wieder kam, ſchlich er dem Papa
hinten zu an Ruͤken, faßte ihn mit beyden Haͤn-
den um den Hals, legte ihm den Kopf uͤber
ſeine Schulter an die Augen, und ſagte ihm
denn, gaͤll Papa! du verzeiheſt mir auch?

Iſt es luſtig, ſo von der Milchſuppe weg
den Loͤffel zu waſchen? fragte ihn Arner.

Nicht ſo gar, aber verzeih mir es auch,
ſagte der Bub.

Und der Vater: ſiz jezt nur wieder zu deiner
Suppe und beſinn dich ein andermal was du
macheſt! —

Die Kinder hatten ihr Lebtag keine ſo gute
Suppe und kein ſo lindes Brod geeſſen. Sie
war halb Nidel und voll Eyer, das Brod da-
rinn vergieng wie Anken im Maul. Und
die Kinder ſagten unter einander, ob das Brod
doch jezt auch von dem gleichen Kernen ſey,
der bey ihnen wachſe?

Was denket ihr auch? ſagte ihnen der Carl;
es iſt nur reiner gemahlet, und mehr Kruͤſch
davon weggethan, — aber dann auch ſagte
er ihnen, er wollte die Suppe lieber, als was
man ihm ſonſt in der Welt aufſtellte, ſo gut
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[234/0256] ihm, aber er muß nicht unartig ſeyn und fol- gen, wie ihr. Als er wieder kam, ſchlich er dem Papa hinten zu an Ruͤken, faßte ihn mit beyden Haͤn- den um den Hals, legte ihm den Kopf uͤber ſeine Schulter an die Augen, und ſagte ihm denn, gaͤll Papa! du verzeiheſt mir auch? Iſt es luſtig, ſo von der Milchſuppe weg den Loͤffel zu waſchen? fragte ihn Arner. Nicht ſo gar, aber verzeih mir es auch, ſagte der Bub. Und der Vater: ſiz jezt nur wieder zu deiner Suppe und beſinn dich ein andermal was du macheſt! — Die Kinder hatten ihr Lebtag keine ſo gute Suppe und kein ſo lindes Brod geeſſen. Sie war halb Nidel und voll Eyer, das Brod da- rinn vergieng wie Anken im Maul. Und die Kinder ſagten unter einander, ob das Brod doch jezt auch von dem gleichen Kernen ſey, der bey ihnen wachſe? Was denket ihr auch? ſagte ihnen der Carl; es iſt nur reiner gemahlet, und mehr Kruͤſch davon weggethan, — aber dann auch ſagte er ihnen, er wollte die Suppe lieber, als was man ihm ſonſt in der Welt aufſtellte, ſo gut ſey ſie. —

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/256>, abgerufen am 26.04.2024.