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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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daß es mir Verdruß macht, und wenn du
mich könntest mit deinem Lezkopf ins Grab
bringen, du würdest es nicht sparen, du hast es
dein Lebtag so gemacht.

So giengs in einem fort, bis die Trommel
in der Gaß tönte, und die Junkerin gegen dem
Haus zu kam. Da schwieg die Alte; sie sah
sie zu erst, und sagte: was will doch jezt dieser
Pfau hier? Einen Augenblik darauf aber zu
ihrer Tochter, wisch dir die Augen ab, und
zeig nicht jezt auch dieser noch, daß du ein
Narr seyest! --

Sie wischte sie ab, -- aber es war gleich
viel. Als die Junkerin in die Stube trat, ihr
die Hand bot, und dankete wie dem Mareylj,
konnte sie kein Wort hervorbringen.

Die Alte biß die Zähne über einander, ihre
Augen glüheten vor Zorn gegen die Tochter,
in dem gleichen Augenblik als sie für dieselbe
das Wort nahm, und mit einem Lächlen das
sie erzwang, für die Ehre, die sie ihrer Toch-
ter erweise, dankte und hinzu sezte, sie solle ihr
verziehen, es seye einmal jezt so ihrer Tochter
Natur, daß wenn sie etwas übernemme, es
möge Freud oder Leid seyn, so könne sie sich
nicht leicht fassen; aber die Junkerin habe gar
zu viel Mühe genommen für sie, sie habe nichts
anders gethan, als was ihre Schuldigkeit ge-
wesen, und möchte nur wünschen, daß sie mehr

daß es mir Verdruß macht, und wenn du
mich koͤnnteſt mit deinem Lezkopf ins Grab
bringen, du wuͤrdeſt es nicht ſparen, du haſt es
dein Lebtag ſo gemacht.

So giengs in einem fort, bis die Trommel
in der Gaß toͤnte, und die Junkerin gegen dem
Haus zu kam. Da ſchwieg die Alte; ſie ſah
ſie zu erſt, und ſagte: was will doch jezt dieſer
Pfau hier? Einen Augenblik darauf aber zu
ihrer Tochter, wiſch dir die Augen ab, und
zeig nicht jezt auch dieſer noch, daß du ein
Narr ſeyeſt! —

Sie wiſchte ſie ab, — aber es war gleich
viel. Als die Junkerin in die Stube trat, ihr
die Hand bot, und dankete wie dem Mareylj,
konnte ſie kein Wort hervorbringen.

Die Alte biß die Zaͤhne uͤber einander, ihre
Augen gluͤheten vor Zorn gegen die Tochter,
in dem gleichen Augenblik als ſie fuͤr dieſelbe
das Wort nahm, und mit einem Laͤchlen das
ſie erzwang, fuͤr die Ehre, die ſie ihrer Toch-
ter erweiſe, dankte und hinzu ſezte, ſie ſolle ihr
verziehen, es ſeye einmal jezt ſo ihrer Tochter
Natur, daß wenn ſie etwas uͤbernemme, es
moͤge Freud oder Leid ſeyn, ſo koͤnne ſie ſich
nicht leicht faſſen; aber die Junkerin habe gar
zu viel Muͤhe genommen fuͤr ſie, ſie habe nichts
anders gethan, als was ihre Schuldigkeit ge-
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[250/0272] daß es mir Verdruß macht, und wenn du mich koͤnnteſt mit deinem Lezkopf ins Grab bringen, du wuͤrdeſt es nicht ſparen, du haſt es dein Lebtag ſo gemacht. So giengs in einem fort, bis die Trommel in der Gaß toͤnte, und die Junkerin gegen dem Haus zu kam. Da ſchwieg die Alte; ſie ſah ſie zu erſt, und ſagte: was will doch jezt dieſer Pfau hier? Einen Augenblik darauf aber zu ihrer Tochter, wiſch dir die Augen ab, und zeig nicht jezt auch dieſer noch, daß du ein Narr ſeyeſt! — Sie wiſchte ſie ab, — aber es war gleich viel. Als die Junkerin in die Stube trat, ihr die Hand bot, und dankete wie dem Mareylj, konnte ſie kein Wort hervorbringen. Die Alte biß die Zaͤhne uͤber einander, ihre Augen gluͤheten vor Zorn gegen die Tochter, in dem gleichen Augenblik als ſie fuͤr dieſelbe das Wort nahm, und mit einem Laͤchlen das ſie erzwang, fuͤr die Ehre, die ſie ihrer Toch- ter erweiſe, dankte und hinzu ſezte, ſie ſolle ihr verziehen, es ſeye einmal jezt ſo ihrer Tochter Natur, daß wenn ſie etwas uͤbernemme, es moͤge Freud oder Leid ſeyn, ſo koͤnne ſie ſich nicht leicht faſſen; aber die Junkerin habe gar zu viel Muͤhe genommen fuͤr ſie, ſie habe nichts anders gethan, als was ihre Schuldigkeit ge- weſen, und moͤchte nur wuͤnſchen, daß ſie mehr

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/272>, abgerufen am 27.04.2024.