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Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853.

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"lähmt; sie waren angezogen, blieben aber freilich bewegungs¬
"los, bis sie gereizt wurden. Nach Anwendung eines Reizes
"wurden sie kräftig bewegt, aber auf einen Reiz folgte nur
"eine und zwar ganz eigenthümliche (!?) Bewegung. Der Reiz
"selbst kam nicht zum Bewusstsein (?), denn der Kopf und
"die vorderen Extremitäten blieben bei der Einwirkung dessel¬
"ben völlig bewegungslos (!!). Nirgends kann deutlicher und
"schlagender der Unterschied zwischen bewussten und willkür¬
"lichen Erscheinungen, wie sie an dem vorderen Theile, und
"reflectirten Erscheinungen, die am hinteren Theile des Thieres
"beobachtet wurden, nachgewiesen werden (??!)".

"Dasselbe Experiment, mit einer Kröte angestellt, gab nicht
"so gleichförmige Resultate, wahrscheinlich wegen anatomischer
"Verschiedenheiten (!!!)". (Marshall Hall's Abhandlungen über
das Nervensystem. Deutsch von Kürschner. p. 22. -- Siehe
noch: Flourens, Recherches experimentales sur les proprietes
et les fonctions du systeme nerveux dans les animaux verte¬
bres. Paris 1842. p. 9-12 u. 29-30. -- Stilling, Unter¬
suchungen über die Spinalirritation. 1840. p. 314-315. --
Grainger, On the structure and functions of the spinal cord.
p. 63. -- Kürschner, Nachträge und Ergänzungen zu Marshall
Hall's Abhandlungen über das Nervensystem. p. 169.)

Volkmann stimmt dem englischen Physiologen in sofern
bei, als er sagt:

"Sehr richtig bemerkt Marshall Hall, dass man sich hüten
"müsse, Bewegungen, welche auf Reize entstehen, zu voreilig
"als Reactionen auf Empfindung zu betrachten. Man hat bei
"Menschen Paralysen beobachtet, wo Kitzeln der Fusssohle nicht
"empfunden wurde und dennoch, wie beim Kitzelgefühl, ein
"Zurückziehen der Füsse, und zwar ohne Wissen des Kranken,
"zur Folge hatte". (Volkmann in Wagner's Handwörterbuch
der Physiologie. Artikel: Gehirn. p. 576.)

Hierher gehört, um nur ein Beispiel anzuführen, der von
Marshall Hall citirte interessante Fall einer Paraplegie, welchen
Herr W. F. Barlow diesem Autor mitgetheilt hat.

„lähmt; sie waren angezogen, blieben aber freilich bewegungs¬
„los, bis sie gereizt wurden. Nach Anwendung eines Reizes
„wurden sie kräftig bewegt, aber auf einen Reiz folgte nur
„eine und zwar ganz eigenthümliche (!?) Bewegung. Der Reiz
„selbst kam nicht zum Bewusstsein (?), denn der Kopf und
„die vorderen Extremitäten blieben bei der Einwirkung dessel¬
„ben völlig bewegungslos (!!). Nirgends kann deutlicher und
„schlagender der Unterschied zwischen bewussten und willkür¬
„lichen Erscheinungen, wie sie an dem vorderen Theile, und
„reflectirten Erscheinungen, die am hinteren Theile des Thieres
„beobachtet wurden, nachgewiesen werden (??!)“.

„Dasselbe Experiment, mit einer Kröte angestellt, gab nicht
„so gleichförmige Resultate, wahrscheinlich wegen anatomischer
„Verschiedenheiten (!!!)“. (Marshall Hall's Abhandlungen über
das Nervensystem. Deutsch von Kürschner. p. 22. — Siehe
noch: Flourens, Recherches expérimentales sur les propriétés
et les fonctions du système nerveux dans les animaux verté¬
brés. Paris 1842. p. 9–12 u. 29–30. — Stilling, Unter¬
suchungen über die Spinalirritation. 1840. p. 314–315. —
Grainger, On the structure and functions of the spinal cord.
p. 63. — Kürschner, Nachträge und Ergänzungen zu Marshall
Hall's Abhandlungen über das Nervensystem. p. 169.)

Volkmann stimmt dem englischen Physiologen in sofern
bei, als er sagt:

„Sehr richtig bemerkt Marshall Hall, dass man sich hüten
„müsse, Bewegungen, welche auf Reize entstehen, zu voreilig
„als Reactionen auf Empfindung zu betrachten. Man hat bei
„Menschen Paralysen beobachtet, wo Kitzeln der Fusssohle nicht
„empfunden wurde und dennoch, wie beim Kitzelgefühl, ein
„Zurückziehen der Füsse, und zwar ohne Wissen des Kranken,
„zur Folge hatte“. (Volkmann in Wagner's Handwörterbuch
der Physiologie. Artikel: Gehirn. p. 576.)

Hierher gehört, um nur ein Beispiel anzuführen, der von
Marshall Hall citirte interessante Fall einer Paraplegie, welchen
Herr W. F. Barlow diesem Autor mitgetheilt hat.

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[31/0053] „lähmt; sie waren angezogen, blieben aber freilich bewegungs¬ „los, bis sie gereizt wurden. Nach Anwendung eines Reizes „wurden sie kräftig bewegt, aber auf einen Reiz folgte nur „eine und zwar ganz eigenthümliche (!?) Bewegung. Der Reiz „selbst kam nicht zum Bewusstsein (?), denn der Kopf und „die vorderen Extremitäten blieben bei der Einwirkung dessel¬ „ben völlig bewegungslos (!!). Nirgends kann deutlicher und „schlagender der Unterschied zwischen bewussten und willkür¬ „lichen Erscheinungen, wie sie an dem vorderen Theile, und „reflectirten Erscheinungen, die am hinteren Theile des Thieres „beobachtet wurden, nachgewiesen werden (??!)“. „Dasselbe Experiment, mit einer Kröte angestellt, gab nicht „so gleichförmige Resultate, wahrscheinlich wegen anatomischer „Verschiedenheiten (!!!)“. (Marshall Hall's Abhandlungen über das Nervensystem. Deutsch von Kürschner. p. 22. — Siehe noch: Flourens, Recherches expérimentales sur les propriétés et les fonctions du système nerveux dans les animaux verté¬ brés. Paris 1842. p. 9–12 u. 29–30. — Stilling, Unter¬ suchungen über die Spinalirritation. 1840. p. 314–315. — Grainger, On the structure and functions of the spinal cord. p. 63. — Kürschner, Nachträge und Ergänzungen zu Marshall Hall's Abhandlungen über das Nervensystem. p. 169.) Volkmann stimmt dem englischen Physiologen in sofern bei, als er sagt: „Sehr richtig bemerkt Marshall Hall, dass man sich hüten „müsse, Bewegungen, welche auf Reize entstehen, zu voreilig „als Reactionen auf Empfindung zu betrachten. Man hat bei „Menschen Paralysen beobachtet, wo Kitzeln der Fusssohle nicht „empfunden wurde und dennoch, wie beim Kitzelgefühl, ein „Zurückziehen der Füsse, und zwar ohne Wissen des Kranken, „zur Folge hatte“. (Volkmann in Wagner's Handwörterbuch der Physiologie. Artikel: Gehirn. p. 576.) Hierher gehört, um nur ein Beispiel anzuführen, der von Marshall Hall citirte interessante Fall einer Paraplegie, welchen Herr W. F. Barlow diesem Autor mitgetheilt hat.

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Zitationshilfe: Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pflueger_rueckenmark_1853/53>, abgerufen am 30.04.2024.