Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

Bild:
<< vorherige Seite

ppo_213.001
ästhetischen Vollendung willen in der Anschauung ppo_213.002
gefällt, und durch welches jene Jdeen aus dem ppo_213.003
Gebiete des Vorstellungsvermögens herausgehoben, ppo_213.004
und in den Kreis des Gefühlsvermögens und der ppo_213.005
Einbildungskraft versetzt werden.

ppo_213.006

Als unnachlaßliche Bedingung wird aber die ppo_213.007
ästhetische Darstellbarkeit jener Begriffe des ppo_213.008
Verstandes und jener Jdeen der Vernunft dazu erfordert, ppo_213.009
weil nicht alle und jede Begriffe und Jdeen, ppo_213.010
als Theile der menschlichen Erkenntniß, zur Vergesellschaftung ppo_213.011
mit menschlichen Gefühlen sich eignen. ppo_213.012
Denn schwerlich dürften die Lehren der Logik über ppo_213.013
Begriffe, Urtheile und Schlüsse, und über die Kategorieen, ppo_213.014
oder die Grundsätze der Größenlehre, der ppo_213.015
Sprachlehre u. s. w. als Stoffe des Lehrgedichts ppo_213.016
behandelt werden können, weil sie, ihrem Wesen ppo_213.017
und ihrer Ankündigung nach, mit dem Gefühlsvermögen ppo_213.018
in keiner Berührung stehen, und eben so wenig ppo_213.019
die Einbildungskraft zu einer idealischen Form begeistern ppo_213.020
können. Dagegen aber werden die Jdeen ppo_213.021
der practischen Vernunft -- die Jdeen der Freiheit, ppo_213.022
der Sittlichkeit, der Tugend, der Unsterblichkeit, ppo_213.023
der Vergeltung, der Gottheit, des Weltalls und der ppo_213.024
ewigen Weltregierung -- die an sich schon im Bewußtseyn ppo_213.025
mit einer höhern Stärke, als andere Begriffe ppo_213.026
und Jdeen des Vorstellungsvermögens, sich ppo_213.027
ankündigen, wegen ihres Zusammenhanges mit den ppo_213.028
geläutertsten und erhabensten Gefühlen des menschlichen ppo_213.029
Geistes, der dichterischen Darstellung am meisten ppo_213.030
fähig seyn. Nur auf diesem Wege wird die ppo_213.031
eigentliche dichterische Ansicht der Welt, des menschlichen ppo_213.032
Lebens und der menschlichen Erkenntniß nach ppo_213.033
ihrer abgeschlossenen Gesammtheit gewonnen, welche ppo_213.034
der Prosa, nach ihrem eigenthümlichen, von der

ppo_213.001
ästhetischen Vollendung willen in der Anschauung ppo_213.002
gefällt, und durch welches jene Jdeen aus dem ppo_213.003
Gebiete des Vorstellungsvermögens herausgehoben, ppo_213.004
und in den Kreis des Gefühlsvermögens und der ppo_213.005
Einbildungskraft versetzt werden.

ppo_213.006

Als unnachlaßliche Bedingung wird aber die ppo_213.007
ästhetische Darstellbarkeit jener Begriffe des ppo_213.008
Verstandes und jener Jdeen der Vernunft dazu erfordert, ppo_213.009
weil nicht alle und jede Begriffe und Jdeen, ppo_213.010
als Theile der menschlichen Erkenntniß, zur Vergesellschaftung ppo_213.011
mit menschlichen Gefühlen sich eignen. ppo_213.012
Denn schwerlich dürften die Lehren der Logik über ppo_213.013
Begriffe, Urtheile und Schlüsse, und über die Kategorieen, ppo_213.014
oder die Grundsätze der Größenlehre, der ppo_213.015
Sprachlehre u. s. w. als Stoffe des Lehrgedichts ppo_213.016
behandelt werden können, weil sie, ihrem Wesen ppo_213.017
und ihrer Ankündigung nach, mit dem Gefühlsvermögen ppo_213.018
in keiner Berührung stehen, und eben so wenig ppo_213.019
die Einbildungskraft zu einer idealischen Form begeistern ppo_213.020
können. Dagegen aber werden die Jdeen ppo_213.021
der practischen Vernunft — die Jdeen der Freiheit, ppo_213.022
der Sittlichkeit, der Tugend, der Unsterblichkeit, ppo_213.023
der Vergeltung, der Gottheit, des Weltalls und der ppo_213.024
ewigen Weltregierung — die an sich schon im Bewußtseyn ppo_213.025
mit einer höhern Stärke, als andere Begriffe ppo_213.026
und Jdeen des Vorstellungsvermögens, sich ppo_213.027
ankündigen, wegen ihres Zusammenhanges mit den ppo_213.028
geläutertsten und erhabensten Gefühlen des menschlichen ppo_213.029
Geistes, der dichterischen Darstellung am meisten ppo_213.030
fähig seyn. Nur auf diesem Wege wird die ppo_213.031
eigentliche dichterische Ansicht der Welt, des menschlichen ppo_213.032
Lebens und der menschlichen Erkenntniß nach ppo_213.033
ihrer abgeschlossenen Gesammtheit gewonnen, welche ppo_213.034
der Prosa, nach ihrem eigenthümlichen, von der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0225" n="213"/><lb n="ppo_213.001"/> ästhetischen Vollendung willen in der Anschauung <lb n="ppo_213.002"/>gefällt, und durch welches jene Jdeen aus dem <lb n="ppo_213.003"/>Gebiete des Vorstellungsvermögens herausgehoben, <lb n="ppo_213.004"/>und in den Kreis des Gefühlsvermögens und der <lb n="ppo_213.005"/>Einbildungskraft versetzt werden.</p>
          <lb n="ppo_213.006"/>
          <p>  Als unnachlaßliche Bedingung wird aber die <lb n="ppo_213.007"/><hi rendition="#g">ästhetische Darstellbarkeit</hi> jener Begriffe des <lb n="ppo_213.008"/>Verstandes und jener Jdeen der Vernunft dazu erfordert, <lb n="ppo_213.009"/>weil nicht alle und jede Begriffe und Jdeen, <lb n="ppo_213.010"/>als Theile der menschlichen Erkenntniß, zur Vergesellschaftung <lb n="ppo_213.011"/>mit menschlichen Gefühlen sich eignen. <lb n="ppo_213.012"/>Denn schwerlich dürften die Lehren der Logik über <lb n="ppo_213.013"/>Begriffe, Urtheile und Schlüsse, und über die Kategorieen, <lb n="ppo_213.014"/>oder die Grundsätze der Größenlehre, der <lb n="ppo_213.015"/>Sprachlehre u. s. w. als Stoffe des Lehrgedichts <lb n="ppo_213.016"/>behandelt werden können, weil sie, ihrem Wesen <lb n="ppo_213.017"/>und ihrer Ankündigung nach, mit dem Gefühlsvermögen <lb n="ppo_213.018"/>in keiner Berührung stehen, und eben so wenig <lb n="ppo_213.019"/>die Einbildungskraft zu einer idealischen Form begeistern <lb n="ppo_213.020"/>können. Dagegen aber werden die Jdeen <lb n="ppo_213.021"/>der practischen Vernunft &#x2014; die Jdeen der Freiheit, <lb n="ppo_213.022"/>der Sittlichkeit, der Tugend, der Unsterblichkeit, <lb n="ppo_213.023"/>der Vergeltung, der Gottheit, des Weltalls und der <lb n="ppo_213.024"/>ewigen Weltregierung &#x2014; die an sich schon im Bewußtseyn <lb n="ppo_213.025"/>mit einer höhern Stärke, als andere Begriffe <lb n="ppo_213.026"/>und Jdeen des Vorstellungsvermögens, sich <lb n="ppo_213.027"/>ankündigen, wegen ihres Zusammenhanges mit den <lb n="ppo_213.028"/>geläutertsten und erhabensten Gefühlen des menschlichen <lb n="ppo_213.029"/>Geistes, der dichterischen Darstellung am meisten <lb n="ppo_213.030"/>fähig seyn. Nur auf diesem Wege wird die <lb n="ppo_213.031"/>eigentliche dichterische Ansicht der Welt, des menschlichen <lb n="ppo_213.032"/>Lebens und der menschlichen Erkenntniß nach <lb n="ppo_213.033"/>ihrer abgeschlossenen Gesammtheit gewonnen, welche <lb n="ppo_213.034"/>der Prosa, nach ihrem eigenthümlichen, von der
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[213/0225] ppo_213.001 ästhetischen Vollendung willen in der Anschauung ppo_213.002 gefällt, und durch welches jene Jdeen aus dem ppo_213.003 Gebiete des Vorstellungsvermögens herausgehoben, ppo_213.004 und in den Kreis des Gefühlsvermögens und der ppo_213.005 Einbildungskraft versetzt werden. ppo_213.006 Als unnachlaßliche Bedingung wird aber die ppo_213.007 ästhetische Darstellbarkeit jener Begriffe des ppo_213.008 Verstandes und jener Jdeen der Vernunft dazu erfordert, ppo_213.009 weil nicht alle und jede Begriffe und Jdeen, ppo_213.010 als Theile der menschlichen Erkenntniß, zur Vergesellschaftung ppo_213.011 mit menschlichen Gefühlen sich eignen. ppo_213.012 Denn schwerlich dürften die Lehren der Logik über ppo_213.013 Begriffe, Urtheile und Schlüsse, und über die Kategorieen, ppo_213.014 oder die Grundsätze der Größenlehre, der ppo_213.015 Sprachlehre u. s. w. als Stoffe des Lehrgedichts ppo_213.016 behandelt werden können, weil sie, ihrem Wesen ppo_213.017 und ihrer Ankündigung nach, mit dem Gefühlsvermögen ppo_213.018 in keiner Berührung stehen, und eben so wenig ppo_213.019 die Einbildungskraft zu einer idealischen Form begeistern ppo_213.020 können. Dagegen aber werden die Jdeen ppo_213.021 der practischen Vernunft — die Jdeen der Freiheit, ppo_213.022 der Sittlichkeit, der Tugend, der Unsterblichkeit, ppo_213.023 der Vergeltung, der Gottheit, des Weltalls und der ppo_213.024 ewigen Weltregierung — die an sich schon im Bewußtseyn ppo_213.025 mit einer höhern Stärke, als andere Begriffe ppo_213.026 und Jdeen des Vorstellungsvermögens, sich ppo_213.027 ankündigen, wegen ihres Zusammenhanges mit den ppo_213.028 geläutertsten und erhabensten Gefühlen des menschlichen ppo_213.029 Geistes, der dichterischen Darstellung am meisten ppo_213.030 fähig seyn. Nur auf diesem Wege wird die ppo_213.031 eigentliche dichterische Ansicht der Welt, des menschlichen ppo_213.032 Lebens und der menschlichen Erkenntniß nach ppo_213.033 ihrer abgeschlossenen Gesammtheit gewonnen, welche ppo_213.034 der Prosa, nach ihrem eigenthümlichen, von der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/225
Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/225>, abgerufen am 29.04.2024.