Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

Die meisten siamischen Kinder werden in
den Klöstern der Talapoinen erzogen. Man
thut sie im siebenden oder achten Jahre hinen,
und sie tragen das Ordenskleid, aber ohne ein
Gelübde zu thun. Diese kleinen Mönche,
nennt man Nen. Sie werden von ihren An-
verwandten täglich mit aller Nothdurft ver-
sorgt, und diejenigen, welche ihr Reichthum
oder ihre Geburt über andere erhebt, behalten
einen oder zwey Leibeigene zu ihrer Bedienung
bey sich.

Zuerst lehrt man sie lesen, schreiben und
rechnen, weil dieß für einen Kaufmann höchst
nothwendig ist, da jeder Siamer eignen Han-
del treibt. Hernach lernen sie die Grundsätze
der Religion und Sittenlehre, nebst dem Bali,
d. i. derjenigen Sprache, worinn ihre Glau-
benslehren und Gesetze geschrieben sind. Diese
Sprache hat einige Verwandschaft mit einer
besondern, auf Coromandel üblichen Mundart,
allein die Buchstaben sind sonst nirgend, als in
Siam gebräuchlich. Sie wird von der Linken
zur Rechten geschrieben.

Die siamische Sprache hat sieben und
dreyßig Buchstaben, und die balische drey und
dreyßig. La Loubere giebt sie aber alle für Mit-
lautende an. Die einfachen und doppeltlau-
tende, daran es beyden Sprachen gar nicht feh-
len soll, haben ihre eigene Buchstaben, daraus
man besondere Alphabete macht. -- Die
Europäer haben viele Mühe, die Buchstaben der

Siamer

Die meiſten ſiamiſchen Kinder werden in
den Kloͤſtern der Talapoinen erzogen. Man
thut ſie im ſiebenden oder achten Jahre hinen,
und ſie tragen das Ordenskleid, aber ohne ein
Geluͤbde zu thun. Dieſe kleinen Moͤnche,
nennt man Nen. Sie werden von ihren An-
verwandten taͤglich mit aller Nothdurft ver-
ſorgt, und diejenigen, welche ihr Reichthum
oder ihre Geburt uͤber andere erhebt, behalten
einen oder zwey Leibeigene zu ihrer Bedienung
bey ſich.

Zuerſt lehrt man ſie leſen, ſchreiben und
rechnen, weil dieß fuͤr einen Kaufmann hoͤchſt
nothwendig iſt, da jeder Siamer eignen Han-
del treibt. Hernach lernen ſie die Grundſaͤtze
der Religion und Sittenlehre, nebſt dem Bali,
d. i. derjenigen Sprache, worinn ihre Glau-
benslehren und Geſetze geſchrieben ſind. Dieſe
Sprache hat einige Verwandſchaft mit einer
beſondern, auf Coromandel uͤblichen Mundart,
allein die Buchſtaben ſind ſonſt nirgend, als in
Siam gebraͤuchlich. Sie wird von der Linken
zur Rechten geſchrieben.

Die ſiamiſche Sprache hat ſieben und
dreyßig Buchſtaben, und die baliſche drey und
dreyßig. La Loubere giebt ſie aber alle fuͤr Mit-
lautende an. Die einfachen und doppeltlau-
tende, daran es beyden Sprachen gar nicht feh-
len ſoll, haben ihre eigene Buchſtaben, daraus
man beſondere Alphabete macht. — Die
Europaͤer haben viele Muͤhe, die Buchſtaben der

Siamer
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0332" n="306"/>
          <p>Die mei&#x017F;ten &#x017F;iami&#x017F;chen Kinder werden in<lb/>
den Klo&#x0364;&#x017F;tern der Talapoinen erzogen. Man<lb/>
thut &#x017F;ie im &#x017F;iebenden oder achten Jahre hinen,<lb/>
und &#x017F;ie tragen das Ordenskleid, aber ohne ein<lb/>
Gelu&#x0364;bde zu thun. Die&#x017F;e kleinen Mo&#x0364;nche,<lb/>
nennt man <hi rendition="#fr">Nen</hi>. Sie werden von ihren An-<lb/>
verwandten ta&#x0364;glich mit aller Nothdurft ver-<lb/>
&#x017F;orgt, und diejenigen, welche ihr Reichthum<lb/>
oder ihre Geburt u&#x0364;ber andere erhebt, behalten<lb/>
einen oder zwey Leibeigene zu ihrer Bedienung<lb/>
bey &#x017F;ich.</p><lb/>
          <p>Zuer&#x017F;t lehrt man &#x017F;ie le&#x017F;en, &#x017F;chreiben und<lb/>
rechnen, weil dieß fu&#x0364;r einen Kaufmann ho&#x0364;ch&#x017F;t<lb/>
nothwendig i&#x017F;t, da jeder Siamer eignen Han-<lb/>
del treibt. Hernach lernen &#x017F;ie die Grund&#x017F;a&#x0364;tze<lb/>
der Religion und Sittenlehre, neb&#x017F;t dem Bali,<lb/>
d. i. derjenigen Sprache, worinn ihre Glau-<lb/>
benslehren und Ge&#x017F;etze ge&#x017F;chrieben &#x017F;ind. Die&#x017F;e<lb/>
Sprache hat einige Verwand&#x017F;chaft mit einer<lb/>
be&#x017F;ondern, auf Coromandel u&#x0364;blichen Mundart,<lb/>
allein die Buch&#x017F;taben &#x017F;ind &#x017F;on&#x017F;t nirgend, als in<lb/>
Siam gebra&#x0364;uchlich. Sie wird von der Linken<lb/>
zur Rechten ge&#x017F;chrieben.</p><lb/>
          <p>Die <hi rendition="#fr">&#x017F;iami&#x017F;che</hi> Sprache hat &#x017F;ieben und<lb/>
dreyßig Buch&#x017F;taben, und die <hi rendition="#fr">bali&#x017F;che</hi> drey und<lb/>
dreyßig. La Loubere giebt &#x017F;ie aber alle fu&#x0364;r Mit-<lb/>
lautende an. Die einfachen und doppeltlau-<lb/>
tende, daran es beyden Sprachen gar nicht feh-<lb/>
len &#x017F;oll, haben ihre eigene Buch&#x017F;taben, daraus<lb/>
man be&#x017F;ondere Alphabete macht. &#x2014; Die<lb/>
Europa&#x0364;er haben viele Mu&#x0364;he, die Buch&#x017F;taben der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Siamer</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[306/0332] Die meiſten ſiamiſchen Kinder werden in den Kloͤſtern der Talapoinen erzogen. Man thut ſie im ſiebenden oder achten Jahre hinen, und ſie tragen das Ordenskleid, aber ohne ein Geluͤbde zu thun. Dieſe kleinen Moͤnche, nennt man Nen. Sie werden von ihren An- verwandten taͤglich mit aller Nothdurft ver- ſorgt, und diejenigen, welche ihr Reichthum oder ihre Geburt uͤber andere erhebt, behalten einen oder zwey Leibeigene zu ihrer Bedienung bey ſich. Zuerſt lehrt man ſie leſen, ſchreiben und rechnen, weil dieß fuͤr einen Kaufmann hoͤchſt nothwendig iſt, da jeder Siamer eignen Han- del treibt. Hernach lernen ſie die Grundſaͤtze der Religion und Sittenlehre, nebſt dem Bali, d. i. derjenigen Sprache, worinn ihre Glau- benslehren und Geſetze geſchrieben ſind. Dieſe Sprache hat einige Verwandſchaft mit einer beſondern, auf Coromandel uͤblichen Mundart, allein die Buchſtaben ſind ſonſt nirgend, als in Siam gebraͤuchlich. Sie wird von der Linken zur Rechten geſchrieben. Die ſiamiſche Sprache hat ſieben und dreyßig Buchſtaben, und die baliſche drey und dreyßig. La Loubere giebt ſie aber alle fuͤr Mit- lautende an. Die einfachen und doppeltlau- tende, daran es beyden Sprachen gar nicht feh- len ſoll, haben ihre eigene Buchſtaben, daraus man beſondere Alphabete macht. — Die Europaͤer haben viele Muͤhe, die Buchſtaben der Siamer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/332
Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/332>, abgerufen am 29.04.2024.