Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

neu aufgebaut worden. In dem ersten Theile zeigte
man mir 500 Jahr alte Stühle, ja sogar ein Zim-
mer, in dem die schwarz eichne, reiche boiserie, ge-
schnitzte Decke und Boden 700 Jahre zählten. Der
neue Schloßtheil enthält mehrere interessante Ge-
mälde. Ein Portrait der Herzogin von Portsmouth
war so lieblich, daß ich Carl II., noch im Grabe
darum beneidet haben würde, sie einst zur Herzogin
erheben zu dürfen, wenn ich mich nicht noch zur rech-
ten Zeit der Predigt des catholischen Geistlichen er-
innert hätte. Eine alte Abbildung der Maria Stuart,
obgleich in reiferem Alter dargestellt, bestätigte mir
dennoch die Aehnlichkeit des, in der Grafschaft Wick-
low gesehenen, Bildes dieser unglücklichen und schö-
nen Königin, und mit Interesse betrachtete ich eine
Scene am Hofe zu Madrid, mit den Portrait's des
Königs, gravitätisch im rothen Scharlachrock dasitzend;
Carl's I. als Kronprinzen, der ziemlich legerement
eine Menuet mit der Infantin tanzt, und des ver-
führerischen Buckingham, der, prächtig gekleidet, eine
hübsche Hofdame sehr angelegentlich zu unterhalten
scheint.

Howth Castle, der Familie St. Lawrence gehörig,
und von Lord Howth bewohnt, (der kein Absentee
ist, sondern wohlthätig seine Einkünfte im Lande ver-
zehrt) ist mehr im Laufe der Zeiten modernisirt wor-
den, und zwar nicht glücklich, da ein griechisches Por-
tal sich sonderbar zu den kleinen gothischen Fenstern
und hohen Zinnen in Treffle-Form ausnimmt. Auch

Briefe eines Verstorbenen. II. 11

neu aufgebaut worden. In dem erſten Theile zeigte
man mir 500 Jahr alte Stühle, ja ſogar ein Zim-
mer, in dem die ſchwarz eichne, reiche boiserie, ge-
ſchnitzte Decke und Boden 700 Jahre zählten. Der
neue Schloßtheil enthält mehrere intereſſante Ge-
mälde. Ein Portrait der Herzogin von Portsmouth
war ſo lieblich, daß ich Carl II., noch im Grabe
darum beneidet haben würde, ſie einſt zur Herzogin
erheben zu dürfen, wenn ich mich nicht noch zur rech-
ten Zeit der Predigt des catholiſchen Geiſtlichen er-
innert hätte. Eine alte Abbildung der Maria Stuart,
obgleich in reiferem Alter dargeſtellt, beſtätigte mir
dennoch die Aehnlichkeit des, in der Grafſchaft Wick-
low geſehenen, Bildes dieſer unglücklichen und ſchö-
nen Königin, und mit Intereſſe betrachtete ich eine
Scene am Hofe zu Madrid, mit den Portrait’s des
Königs, gravitätiſch im rothen Scharlachrock daſitzend;
Carl’s I. als Kronprinzen, der ziemlich legèrement
eine Menuet mit der Infantin tanzt, und des ver-
führeriſchen Buckingham, der, prächtig gekleidet, eine
hübſche Hofdame ſehr angelegentlich zu unterhalten
ſcheint.

Howth Caſtle, der Familie St. Lawrence gehörig,
und von Lord Howth bewohnt, (der kein Abſentee
iſt, ſondern wohlthätig ſeine Einkünfte im Lande ver-
zehrt) iſt mehr im Laufe der Zeiten moderniſirt wor-
den, und zwar nicht glücklich, da ein griechiſches Por-
tal ſich ſonderbar zu den kleinen gothiſchen Fenſtern
und hohen Zinnen in Treffle-Form ausnimmt. Auch

Briefe eines Verſtorbenen. II. 11
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0183" n="161"/>
neu aufgebaut worden. In dem er&#x017F;ten Theile zeigte<lb/>
man mir 500 Jahr alte Stühle, ja &#x017F;ogar ein Zim-<lb/>
mer, in dem die &#x017F;chwarz eichne, reiche <hi rendition="#aq">boiserie,</hi> ge-<lb/>
&#x017F;chnitzte Decke und Boden 700 Jahre zählten. Der<lb/>
neue Schloßtheil enthält mehrere intere&#x017F;&#x017F;ante Ge-<lb/>
mälde. Ein Portrait der Herzogin von Portsmouth<lb/>
war &#x017F;o lieblich, daß ich Carl <hi rendition="#aq">II.</hi>, noch im Grabe<lb/>
darum beneidet haben würde, &#x017F;ie ein&#x017F;t zur Herzogin<lb/>
erheben zu dürfen, wenn ich mich nicht noch zur rech-<lb/>
ten Zeit der Predigt des catholi&#x017F;chen Gei&#x017F;tlichen er-<lb/>
innert hätte. Eine alte Abbildung der Maria Stuart,<lb/>
obgleich in reiferem Alter darge&#x017F;tellt, be&#x017F;tätigte mir<lb/>
dennoch die Aehnlichkeit des, in der Graf&#x017F;chaft Wick-<lb/>
low ge&#x017F;ehenen, Bildes die&#x017F;er unglücklichen und &#x017F;chö-<lb/>
nen Königin, und mit Intere&#x017F;&#x017F;e betrachtete ich eine<lb/>
Scene am Hofe zu Madrid, mit den Portrait&#x2019;s des<lb/>
Königs, gravitäti&#x017F;ch im rothen Scharlachrock da&#x017F;itzend;<lb/>
Carl&#x2019;s <hi rendition="#aq">I.</hi> als Kronprinzen, der ziemlich <hi rendition="#aq">legèrement</hi><lb/>
eine Menuet mit der Infantin tanzt, und des ver-<lb/>
führeri&#x017F;chen Buckingham, der, prächtig gekleidet, eine<lb/>
hüb&#x017F;che Hofdame &#x017F;ehr angelegentlich zu unterhalten<lb/>
&#x017F;cheint.</p><lb/>
          <p>Howth Ca&#x017F;tle, der Familie St. Lawrence gehörig,<lb/>
und von Lord Howth bewohnt, (der kein Ab&#x017F;entee<lb/>
i&#x017F;t, &#x017F;ondern wohlthätig &#x017F;eine Einkünfte im Lande ver-<lb/>
zehrt) i&#x017F;t mehr im Laufe der Zeiten moderni&#x017F;irt wor-<lb/>
den, und zwar nicht glücklich, da ein griechi&#x017F;ches Por-<lb/>
tal &#x017F;ich &#x017F;onderbar zu den kleinen gothi&#x017F;chen Fen&#x017F;tern<lb/>
und hohen Zinnen in Treffle-Form ausnimmt. Auch<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Briefe eines Ver&#x017F;torbenen. <hi rendition="#aq">II.</hi> 11</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[161/0183] neu aufgebaut worden. In dem erſten Theile zeigte man mir 500 Jahr alte Stühle, ja ſogar ein Zim- mer, in dem die ſchwarz eichne, reiche boiserie, ge- ſchnitzte Decke und Boden 700 Jahre zählten. Der neue Schloßtheil enthält mehrere intereſſante Ge- mälde. Ein Portrait der Herzogin von Portsmouth war ſo lieblich, daß ich Carl II., noch im Grabe darum beneidet haben würde, ſie einſt zur Herzogin erheben zu dürfen, wenn ich mich nicht noch zur rech- ten Zeit der Predigt des catholiſchen Geiſtlichen er- innert hätte. Eine alte Abbildung der Maria Stuart, obgleich in reiferem Alter dargeſtellt, beſtätigte mir dennoch die Aehnlichkeit des, in der Grafſchaft Wick- low geſehenen, Bildes dieſer unglücklichen und ſchö- nen Königin, und mit Intereſſe betrachtete ich eine Scene am Hofe zu Madrid, mit den Portrait’s des Königs, gravitätiſch im rothen Scharlachrock daſitzend; Carl’s I. als Kronprinzen, der ziemlich legèrement eine Menuet mit der Infantin tanzt, und des ver- führeriſchen Buckingham, der, prächtig gekleidet, eine hübſche Hofdame ſehr angelegentlich zu unterhalten ſcheint. Howth Caſtle, der Familie St. Lawrence gehörig, und von Lord Howth bewohnt, (der kein Abſentee iſt, ſondern wohlthätig ſeine Einkünfte im Lande ver- zehrt) iſt mehr im Laufe der Zeiten moderniſirt wor- den, und zwar nicht glücklich, da ein griechiſches Por- tal ſich ſonderbar zu den kleinen gothiſchen Fenſtern und hohen Zinnen in Treffle-Form ausnimmt. Auch Briefe eines Verſtorbenen. II. 11

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/183
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/183>, abgerufen am 29.04.2024.